Hallo Erkenntnis,
vorab sei gesagt, Sie haben sehr deutlich die Schwachstellen der „Geist-und Energieheiler dargestellt:
Der Grund meiner Beschäftigung mit diesem Thema ist, dass eine entfernte Bekannte innerhalb kurzer Zeit, die Einweihungen für den Grad II, den Meisterlehrgang machte, und sich nun in der Lehrerausbildung befindet. Bereits während des Meisterlehrgangs ( Abschluß Ende April 2009) teilte sie auf ihrer Homepage mit, dass sie bald auch in der Lage sei, selber auszubilden.
Natürlich sind die so genannten Ausbildungen keine Ausbildungen im klassischen Sinne, ein Vergleich mit einer Lehre in einem Handwerk und eine späteren Qualifikation als Meister, ist in keiner Weise angemessen.
Für keine der paramedizinischen Therapieformen existieren geregelte Ausbildungsvorschriften, nach denen die so genannte „Ausbildung“ mit einer anerkannten, objektiven und verifizierbaren Prüfung vor einer damit beauftragten Institution wie IHK, Handwerkskammer, Gesundheitsämter etc. endet.
Das hat nicht zuletzt darin seinen Grund, dass Geist-und Energieheiler keiner Tätigkeit nachgehen, die - als nichtärztlicher Heilberuf - beispielsweise dem Heilpraktikergesetz unterliegen würde.
Gemäß des Urteils des BGH (Geistheilerurteil) üben die „Therapeuten“ keine Heiltätigkeit im medizinischen Verständnis aus.
Speziell beim Reiki-Unwesen dienen die abgestuften Ausbildungen dazu, innerhalb des Systems jeweils „Prüfungen“ zu absolvieren, in jedoch nichts geprüft wird.
Vielmehr wird dem Träger des (im wahrsten Sinne des Begriffs) neu erworbenen „Titels“ gestattet, „Reiki-Nachwuchs“ auszubilden.
Natürlich gegen entsprechende Bezahlung. Man kann (oder besser konnte) durch die „Lehrtätigkeit“ wesentlich einfacher Kohle machen, als durch das lästige Heilen.
Nun scheint die Untauglichkeit von Reiki ja mittlerweile so offensichtlich zu sein, dass der Höhenflug dieser Therapie, der vor 4 oder 5 Jahren seine Spitze hatte, nur noch die Vorbereitung auf eine unsanfte Landung ist; vor allem für die, die so richtig viel Geld in eine richtig lächerliche Ausbildung investiert haben.
Denn viele waren gerufen, und genau so viele wurden auserwählt; jedenfalls dann, wenn das Geld auf dem Konto der Reiki-Meister eingegangen war.
Es sollte aber jedem klar sein, dass eine derartige Nachwuchsförderung ihre ökonomischen Grenzen hat: die schnöde Marktsättigung...
Mein grundsätzliche Frage lautet: In welchem Beruf gibt es nach einem Wochendendkurs einen Abschluß, der berechtigt, dass eine Person "auf die Menschheit losgelassen" wird ?
Tja...
D.h., in der Gastronomie hängt die Fahne ähnlich niedrig.
Allerdings sind dort die Folgen eines mit einem halbrohen Hühnchen fehlbehandelten Gastes wesentlich problematischer. Nicht nur für den Gast, sondern auch für den Wirt; den nämlich der Staatsanwalt zu Gericht bittet.
Der Klient eines Geistheilers (Reiki, Biosens etc.) dagegen braucht sich kaum Hoffnungen auf Hilfe der Justiz zu machen, wenn die ausbleibenden Erfolge einer Reiki-Behandlung eingeklagt werden sollen.
Eine interessante Auseinandersetzung fand 2007 in unserem Nachbarland Österreich sein Würdigung in der Presse. (1)
Man kann davon ausgehen, dass Verfahren in der BRD ähnlich ausgehen werden, auch wenn die eigentlich Rechtslage m. E. ziemlich eindeutig ist: Nach § 134 BGB könnte die Bezahlung für unerlaubte Heilbehandlung zurückgefordert werden, da der Vertrag nichtig ist.
Wenn ich mir vor Augen halte, dass es in Deutschland üblich ist, dass eine Lehrzeit in der Regel um die 3 Jahre dauert, mit einer Prüfung z.B. vor der IHK, dann Gesellenzeit und erst viel später die Möglichkeit besteht seinen Meister zu machen, dann frage ich mich, wie der Gesetzgeber es zulassen kann, dass in einem so sensiblen Thema wie "Behandlung von Menschen", plötzlich alle Regeln ausser Kraft gesetzt werden können ?
Im Grunde ist es auch nicht zu verstehen.
Das BVG hat sich allerdings auf den durchaus problematischen Standpunkt gestellt, dass ein Geistheiler, der keine Heilung verspricht und keine Diagnosen stellt, auch keine Zulassung als Heilpraktiker benötigt. (1 BvR 784/03 – 2.3.2004).
Somit besteht kaum die Möglichkeit einer Kontrolle der Tätigkeit „Geistheiler“.
Das Problematische an diesem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist, dass - entgegen jedem Gedanken an Verbraucher(Patienten)-Schutz - das Recht auf freie Berufsausübung eines Einzelnen dem Anschein nach höher bewertet wird, als der sichere Schutz der Allgemeinheit vor Verfahren, die Heilung versprechen, ohne diesen Anspruch nachweisbar auch nur im mindesten halten zu können.
Bisher war die Zulassungserfordernis als Heilpraktiker wenigstens noch eine wenn auch niedrige Hürde, um allzu ungeeignete Kandidaten oder Personen ohne jegliche Kenntnisse wenigstens z.B. der Infektionskrankheiten auszusondern.
Nun ist jeder berechtigt, sich als "Heiler" niederzulassen, wenn er nur die Patienten darüber aufklärt, dass es sich nicht um eine Heibehandlung handele und er keine konkreten Diagnosen stellt.
Der Trick, dieser Forderung des BVG elegant zu begegnen, ist die Umdefinierung des Heilens.
Neuerdings heißt es: „Kein Heiler heilt !“
Von einer einschläigen Website stammt dann auch solches Geschwurbel:
"Kein Heiler heilt selbst!! Heilung geschieht immer durch die göttliche Energie des inneren Heilers im Menschen. ... Die Zellen beginnen wieder in gesunder Form zu schwingen und es geschieht Heilung. Bei meiner persönlichen Arbeitsweise versuche ich im Gespräch mit dem Klienten die seelische Ursache der Erkrankung zu erkennen. Durch innere Wandlung im Denken und Handeln unterstützt der Klient seinen Genesungsprozess. Krankheit ist die liebevolle Aufforderung des Lebens zu erkennen, lernen und verändern." (2)
Nach meiner laienhaften Beurteilung handelt es sich bei dieser entfernen Bekannten um eine sehr labile Persönlichkeit, die einerseits von Minderwertigkeitskomplexen geplagt wird, auf der anderen Seite ein übersteigertes Sendungsbewußtsein hat. Es verbindet sich medizinisches Wissen ( sie ( war) Krankenschwester,) mit esoterischem Gedankengut - wie dem festen Glauben an die Heilkraft von Heilsteinen, Existenz von Indigo-Kindern u.v.a.m
. Hier sprechen Sie wohl das größte Problem der alternativen Heiler an.
Der Psychologe Colin Goldner (Verband Kritischer Psychologen, München) (3), der sich seit Jahren mit der medizinischen Alternativszene beschäftigt, schreibt dazu:
Eine Heerschar selbsternannter Heiler - ob nun mit oder ohne Formalbefugnis - maßt sich an, Psychotherapie zu betreiben, im Einzelfalle ohne auch nur eine einzige Stunde ernstzunehmender Ausbildung hierzu absolviert zu haben. Vielfach finden sich unter diesen Heilern Figuren, die, selbst dem Laien erkennbar, persönliche Störungen dadurch zu kompensieren suchen, daß sie sich zu "Therapeuten" und "Lebenslehrern" aufspielen. Die vermeintlich paranormalen Fähigkeiten, derer sich viele dieser Heiler rühmen - Auralesen, Channeling, Hellsehen und dergleichen -, sind, sofern sie diese nicht einfach vorgeben und damit ihre Klientel betrügen, als Symptome zumindest latenten psychotischen Wahngeschehens zu werten: die Behandler bedürften dringlichst selbst der Behandlung; das gleiche gilt für all die Wunderheiler und Handaufleger, die sich mit "höheren Energien" oder "höherem Bewußtsein" ausgestattet wähnen.
Neben teils hochgradig Gestörten treiben auch zynische Geschäftemacher ihr Unwesen, die die seelische Not ihrer Kundschaft, auch deren Gutgläubigkeit,
Unaufgeklärtheit und damit Wehrlosigkeit, gnadenlos ausbeuten.
Viele KlientInnen des Psychomarktes erhalten nicht nur nicht die erwünschte Hilfe, sondern werden bis aufs Hemd abgezockt; ganz abgesehen davon, daß sich die Probleme, deretwegen sie sich um Hilfe bemüht hatten, allein durch den massiven Vertrauensbruch erheblich verschärfen können. Oftmals finden sich unter den "Heilern" auch ehemalige Opfer, die an sich selbst erfahren haben, wie leicht es ist, andere mit ein wenig Psychogeschwätz übers Ohr zu hauen. Anstatt sich gegen die Scharlatane zur Wehr zu setzen, werden sie selbst welche.
Das graue Psychogeschäft übt ungeheuere Anziehung aus auf "halbseidene" Figuren jedweder Provenienz, die sich ohne großen Aufwand - vor allem ohne Studium und Berufsausbildung - eine lukrative Erwerbsquelle zu eröffnen suchen.
Vielfach, zumal die Grenzlinien fließend verlaufen, ist nicht auf Anhieb erkenntlich, welcher Kategorie der einzelne Praktiker zugehört, ob er eher ein Fall für den Staatsanwalt ist oder für die Psychiatrie.
Das Risiko ist enorm, innerhalb der Psychoszene an einen inkompetenten Therapeuten und/oder eine unsinnige oder auch gefährliche Methodik zu geraten.
Was also ist zu tun?
Grundsätzlich ist von Verfahren abzuraten, die sich bislang einer seriösen Wirksamkeitsüberprüfung entzogen haben beziehungsweise keinen ausreichenden Wirksamkeitsnachweis vorlegen können.
Abzuraten ist ferner von Anbietern, die über keine ausreichende Qualifikation verfügen. Hierunter fallen sämtliche Praktiker, die nicht über ein abgeschlossenes akademisches Fachstudium - Medizin, Psychologie, ggf. Pädagogik oder Sozialpädagogik - mit anschließender klinisch-therapeutischer Fachausbildung verfügen.
Ein nach dem neuen Psychotherapeutengesetz zugelassener Therapeut kann ein abgeschlossenes Psychologiestudium und eine zumindest dreijährige postgraduale Ausbildung in einer anerkannten Einrichtung vorweisen. Ausreichende Qualifikation des Therapeuten und Wirksamkeitsnachweis des eingesetzten Verfahrens geben zwar keine Garantie für ein Gelingen der Therapie, aber das Risiko seitens des Rat- und Hilfesuchenden ist erheblich verringert.
Ein auch nur halbwegs sachliches Gespräch ist unmöglich, da kommt so ein pseudowissenschaftliches Geschwurbel, da wird mir ganz schwindelig
Da die Tätigkeit der Geistheiler für diese oft einen religiösen Kontext hat, nicht selten eine Art Ersatzreligion darstellt, ist eine sachliche Diskussion oft unmöglich.
Die mittlerweile auch im Internet vorhandene kritische Auseinandersetzung mit den Vertretern dieser selbsternannten Heilergilde zeigt durch z.Tl. bizarre Auseinandersetzung, dass hier nicht mehr Nutzen und Inhalt erörtert, sondern nur noch weltanschauliche Auseinandersetzungen geführt werden.
Auf der einen Seite stehen die Verfechter eines okkulten, mystischen, irrationalen Weltbildes. Dem gegenüber die Vertreter eine rationalen Weltsicht, die sich Wissen und Wahrheit verpflichtet fühlen.
Hier noch einen konstruktiven Dialog zu führen, ist fast schon unmöglich.
Endnoten: