Hallo ihr lieben!
Bin seit Montag in einem neuen praktischen Einsatz, zusammen mit einem Kurs-Kollegen. Dieses Mal hat es mich in eine Tagespflegestätte verschlagen und ich will mal etwas davon erzählen.
Das Klientel dieser Tagespflegestätte (TP) sind hauptsächlich Menschen jenseits der 70 mit Krankheiten wie Demenz, Korsakow-Syndrom (Hirnschädigungen zumeist wegen langjährigem Alkoholmissbrauch), Schlaganfall, Diabetes, Depressionen oder sind seit ihrer Kindheit geistig behindert.
In der TP gefällt es mir sehr gut, man versucht sehr auf die Probleme des Einzelnen einzugehen und auch die Selbstständigkeit sehr zu fördern (so habe ich das im KH noch nie erleben dürfen!). Gewöhnungsbedürftig ist für mich noch, dass ich stundenlang im Garten rum sitzen kann, mit den Gästen Rommé oder Mensch-Ärger-Dich-Nicht spielen und das zählt als Arbeit (für ein altes Spielkind wie mich genau das richtige), ebenso wie ein Waldspaziergang „Arbeit“ ist oder mit jemandem Kaffee trinken!
Aber ich finde es sehr interessant, so viel Zeit mit den einzelnen Menschen verbringen zu können. Mir fällt auch viel mehr wie im KH auf, wie sich die Symptome bei der Krankheit äußern. Zum Beispiel haben wir dort eine Frau, die sich eigentlich verbal überhaupt nicht mehr äußern kann, außer „Tee kochen“, das kann sie sagen. Allerdings meint sie, wenn sie „Tee kochen“ sagt manchmal dass sie rauchen will, ein andermal heißt es „ich muss auf Toilette“ und das nächste mal ist „Tee kochen“ schlafen. Wenn man allerdings nicht sofort erahnt, was sie dieses mal meint wird sie sehr aggressiv. Interessant ist auch, soll sie einmal etwas unterschreiben, man sagt es ihr so und schreibt ihr sogar ihren Namen vor: die gute Dame unterschreibt mit „Tee kochen“… Wenn sie oder zwei andere Damen, die nur noch „Dadada lala da“ o.ä. sagen können allerdings traurig oder wütend sind, fühle ich mich oft total hilflos. Klar hat man häufig Erfolg und errät, was sie wollen, manchmal gelingt es aber überhaupt nicht- nicht mit jede Menge Zeit, raus zu finden, was sie wollen. Das ist auch sehr traurig. Die Menschen leben in einer komplett anderen, leider irgendwie fast isolierten Welt, werden nicht verstanden und verstehen uns nicht…
Andere packen nach dem Frühstück ihre 7 Sachen und sagen: „Das Essen war toll, ich bin jetzt satt und geh nach Hause, vielen Dank noch mal für alles!“ Dann lächeln sie und wollen gehen, wie in einem Wirtshaus. Bei diesen Leuten muss man im Prinzip alle 2 Minuten schauen, ob sie noch da sind oder tatsächlich losgelaufen sind auf die Straße.
Verlaufen tun sich dort auch fast alle, wir haben nur wenige Gäste, die geistig noch so fitt sind, alleine den Speiseraum, den Garten oder die Toilette zu finden. Man ist also auch viel als „Fremdenführer“ tätig.
Alles in Allem werden es sicher sehr unterhaltsame und emotional und geistig fordernde Wochen werden.
Liebe Grüße Julia