Hallo Schlumpfine,
erst einmal etwas allgemeines:
sicherlich, ich bestreite das auch keinesfalls, gibt es unter uns schwarze Schafe. Man sollte keineswegs an der falschen Stelle sparen. Wer seinen Beruf gerne ausübt, wird einen Patienten auch unter keinen Umständen als Nummer sehen, auch wenn man es manchen Kollegen nicht verdenken könnte. Aber, so muss man das auch mal sagen, unter manchen Umständen bleibt einem nichts anderes übrig, als den Patienten als Nummer zu sehen - das ist jetzt aber eher auf die Masse der Patienten in einem Zeitraum von x Stunden bezogen, nicht auf den Patienten selbst.
Das es vor allem im Krankenhaus durchaus zu diesem Gefühl der Nichtbeachtung oder Unzufriedenheit kommen kann, wird auch kein Mediziner bestreiten - es sei denn, er lügt sich selbst an. Das hat aber nichts mit der Kompetenz, der Lust des Arbeitens oder Lust auf den Patienten zu tun. Vielmehr liegt das Problem bei der wenigen Zeit, die einem für einen Patienten zu Verfügung steht. Ich denke, jeder kennt die Situation und jeder weiß, was damit gemeint ist. Das liegt zum einen an unserem wunderschönen Gesundheitssystem, aber das liegt auch an den Patienten, die das Krankenhaus (insbesondere die Ambulanz/Notaufnahme) als Erstes ansteuern, ohne bei einem niedergelassenen Kollegen im Laufe des Tages vorstellig geworden zu sein.
Ein Krankenhaus bzw. eine Ambulanz und Notaufnahme ist für Patienten da, deren Zustand es nicht zulässt, einen niedergelassenen Kollegen aufzusuchen. Das setzt aber auch voraus, eine Nacht im Krankenhaus verbringen zu wollen. Denn das ist der Sinn einer Notaufnahme. Die Bezeichnung ist eigentlich selbsterklärend. Not für Notfall, Aufnahme für Aufnahme. Patienten, die sich hier vorstellen, müssen zu jedem Zeitpunkt damit rechnen, stationär aufgenommen zu werden. Aber an diesem Zeitpunkt, wenn alle Untersuchungen gelaufen sind, scheitert es. Sie sind dazu nicht bereit. Da stellt sich BERECHTIGTERWEISE die Frage: Warum stellen Sie sich dann überhaupt in hiesiger Aufnahme vor?
Uns geht also viel Zeit für wirklich kranke Patienten verloren, weil viele die falsche Institution ansteuern, obwohl sie problemlos vorher zu einem niedergelassenen Kollegen hätten gehen können - oder am nächsten Morgen. Denn, das kann ich aus langer Erfahrung in der Notaufnahme sagen, die meisten Patienten haben nichts akutes. Schlimmer, sie berichten bei der Anamnese dann von Beschwerden, die seit x Wochen oder x Monaten anhalten. Also kein Grund, nach so langer Zeit dann sofort die Notaufnahme anzusteuern.
Gut, entschuldige, das geht nun ein wenig in die Tiefe. Aber ich gehe davon aus, Sie können sehr gut verstehen. Das sind einige der Probleme. Sicherlich, es gibt noch viel mehr. Aber das sollte erst einmal ausreichen.
Jetzt mal weiter im Text:
Ein Reizdarmsyndrom darf erst dann als Diagnose verwendet werden, wenn sämtliche Untersuchungsergebnisse (bestehend aus Sonographie, Coloskopie, ÖGD, Labor, Atemtests ggf. CT/MRT/Röntgen) ohne Befund geblieben sind. Es gibt die sogenannten Rom-Kriterien. Sie besagen die Voraussetzungen und Maßnahmen, um ein Reizdarmsyndrom diagnostizieren zu können und zu dürfen. Fehlt also eine der o.g. Untersuchung, so darf diese Diagnose nicht gesetzt werden. Denn mit dem Fehlen einer Untersuchung konnte eine womöglich andere Erkrankung nicht ausgeschlossen werden. Denn es handelt sich bei einem Reizdarmsyndrom einzig und alleine um eine reine Ausschlussdiagnose.
Sie können gerne die Kriterien mal nachlesen. Dann sehen Sie auch, wie oft diese Ausschlussdiagnose einfach willkürlich verwendet wird, ohne die nötigen Untersuchungen durchgeführt zu haben. Man hat hier ein Krankheitsbild gefunden, welches Symptome schwerwiegender Erkrankungen nachahmt, aber gleichzeitig willkürlich gesetzt werden kann. Es wird, um es hart auszudrücken, missbraucht.
Liebe Schlumpfine,
ich stelle mich sicherlich nicht hier hin und sage ich bin ein hochspezialisierter, unfehlbarer und perfekter Arzt. Das gehört sich nicht. So etwas gibt es auch nicht. Jeder, der sich so nach außen hin darstellen möchte, braucht nur Aufmerksamkeit. Dem würde ich mich aber auch nicht anvertrauen. Denn eine gewisse Selbstkritik ist in unserem Beruf notwendig. Von sich selbst überzeugt zu sein und sich für den Größten zu halten, kann fatale Folgen haben. Spätestens dann, wenn sich der vermeintlich gute Arzt als Griff ins Klo herausstellt. Das gleiche gilt für jene Personen, die vor lauter Routine selbstsicher werden. Denn Routine ist der Feind des Menschen.
Ich weiß, was ich beherrschen kann und was nicht. Das reicht mir vollkommen. Ich kann sagen, dass Patienten zufrieden sind. Ich kann auch sagen, dass ich persönlich mit den bisherigen Verläufen der Patienten ebenfalls zufrieden bin. Aber ich würde nicht sagen, dass ich perfekt bin.
Richtig, ich schaue das ich dem Patienten die bestmögliche Behandlung zusichern kann. Aber auch nur insoweit, wie es der Rahmen zulässt. Ich bin auch ein ziemlich direkter Mensch, das wissen viele Patienten auch. Ich gehe mit dem Patienten genauso um, wie er mit mir umgeht. Wenn er zu mir freundlich ist, bin ich ebenfalls freundlich und stehe mit Rat und Tat zur Seite. Wenn man mich ab der ersten Minute, wenn ich zur Tür reinkomme, anschnauzt oder Anforderungen stellt, kann ich aber auch genauso ungemütlich werden. Es gibt genügend Patienten, die den Weg aus dem Krankenhaus ohne Behandlung begehen mussten. Das Recht hat jeder Arzt - vorausgesetzt, es ist kein Notfall.
Ich stimme zu, es gibt solche und solche. Über manche kann ich mich ärgern, aber manche bewundere ich auch. Ein Mittelweg aus allem. Das sollte das Beste sein. Ich gebe auch nicht besonders viel darauf, was andere über mich denken. Ich mache meine Arbeit, so wie ich es gelernt habe. Für den Rest, ob sie sich nun die Mäuler zerreißen oder nicht, bin ich dann nicht mehr verantwortlich. Aber damit kann ich auch leben. Damit muss man in diesem Beruf leben. Im Grunde ist man in der heutigen Zeit oftmals nur der Fußabtreter der Patienten (sei es Frust, Wut, Verzweiflung). Ist so.
In diesem Sinne,
schönen Restfeiertag!