Schuhe für Kinder sehen häufig putzig aus. Chucks und Sneaker im Mini-Format – frühe stylische Mode-Accesscoirs für den Nachwuchs. Aber ab wann sind Schuhe für Kinder überhaupt sinnvoll?
Karen Janker, selbstständige Heilpraktikerin, leitet die Abteilung Kinderfüße und die Kinderfußschule an der Fußschule München. Im Interview mit gesuendernet.de erklärt sie, wann Schuhe für Kinder Sinn machen und worauf auch die Eltern achten sollten.

gesuendernet.de: Ab wann sollten Kinder Schuhe tragen?
Karen Janker: Diese Frage ist nicht ganz einfach zu beantworten. Ich denke, Kinder sollten generell so oft es geht barfuß laufen. Es gibt ja schon für Säuglinge Schmuckstückchen in Form von Babyschuhen. Davon halte ich nichts. Kinder wollen, gerade auch im Kleinkindalter, ihre Füße anfassen, ihr Füße zum Mund führen können und begreifen und betasten können. Und das ist auch sinnvoll.

gesuendernet.de: Warum genau?
Karen Janker: Im Fuß steckt ein Tastorgan und der Fuß muss vorbereitet werden auf das Erlernen des Laufens und damit auch auf das Erspüren des Bodens. Dieser Tastsinn im Fuß ist bei Kleinkindern enorm stark ausgeprägt. Ich habe dazu ein kleines Praxisbeispiel aus der Fußschule. Mit Kindern aber auch immer wieder mit Erwachsenen mache ich folgendes Spiel: Die Teilnehmer sollen mit den Füßen Dinge wie Spielzeuge oder kleine Gegenstände ertasten und erraten. Und es ist enorm auffällig, wie schlecht Erwachsene das noch können. Es geht bei der Übung nicht darum, genau zu sagen, um welchen Gegenstand es sich handelt. Vielmehr sollen so viele Informationen wie möglich erfühlt und genannt werden. Bei Kindern funktioniert diese Übung deutlich besser. Sie tasten einmal entlang und haben dann in der Regel direkt eine Antwort parat – und die stimmt zu 95 Prozent. Man erkennt also deutlich, was für ein enormes Potential in den Füßen steckt. Und je öfter Schuhe getragen werden, desto stärker wird es unterdrückt. Das heißt also: Säuglinge und Kleinkinder, die zum Laufen finden, sollte man so oft es irgendwie geht barfuß laufen lassen. Natürlich kommt dann irgendwann die Zeit, in der man raus auf die Straße geht und Schuhe braucht. Aber sobald die Kinder auf dem Spielplatz oder auf einer Wiese sind: Raus aus den Schuhen. Für zu Hause gilt: Barfußlaufen lassen oder dicke Stoppersocken anziehen und keine festen Hausschuhe mit festen Sohlen.

gesuendernet.de: Gibt es denn bestimmte Schuhe für Kinder, die das Fühlen unterstützen?
Karen Janker: In der Hausschuh-Fraktion gibt es sie auf jeden Fall. Es gibt beispielsweise Hüttenschuhe mit einer Gummierung an der Sohle, die kommen festen Stoppersocken recht nahe. Bei Straßenschuhen muss man als Eltern erstmal seine Erfahrungen machen. Ich bin der Meinung, wenn man seinem Kind einen Schuh anzieht, sollte dieser gut und zuverlässig sein. Das heißt: Der Schuh sollte sich gut schnüren lassen, um sich individuell auf den Fuß einzustellen. Er sollte generell gut passen und in der Sohle den Fuß in gewisser Weise unterstützen. Das heißt aber nicht, dass er ein Fußbett braucht, das das Längs- oder Quergewölbe unterstützt.

gesuendernet.de: Was bedeutet das für den Schuhkauf?
Karen Janker: Beim Schuhkauf sollte man die Sohle ruhig einmal aus dem Schuh nehmen, den Fuß draufstellen und schauen, dass er vorne gut Platz hat. Es sollte vorne etwa ein Daumenbreit beziehungsweise einen guten Zentimeter Spielraum geben. Wichtig ist auch die Breite des Schuhs. Er sollte weder zu breit sein, noch zu eng. Werden die Zehen vorne zusammengedrückt, ist das genauso schlecht wie ein zu breiter Schuh im Bereich von Keilbeinen und Würfelbeinen in Richtung Sprungbeinverbindung. Letzteres führt dazu, dass das Kind im Schuh schwimmt. Ein Schuh muss Halt geben und Bewegung hergeben. Schuhe sollten den Kindern zudem ermöglichen, dass sie beim Klettern draußen in eine gute Streckung im Fuß kommen können und in der Gesamtheit der Bewegung auch eine gute Hüftstreckung möglich ist. Ballerinaschühchen beispielsweise erfüllen das nicht. Hüfte und Fuß sollten ohnehin immer als Einheit begriffen werden.

gesuendernet.de: Nun wachsen Kinderfüße extrem schnell, häufig sind die Schuhe zu klein, bevor sie überhaupt aufgetragen sind. Nach Ihren bisherigen Aussagen sollte man dennoch neue Schuhe kaufen. Warum genau?
Karen Janker: Ich denke es ist tatsächlich besser mit einem neuen, neutralen Schuh zu starten und das Kind läuft sich diesen Schuh selber ein. Man kennt es ja als Erwachsener auch, dass man einen neuen Schuh erstmal einlaufen muss. Wenn man nun für ein Kind einen Schuh auf dem Flohmarkt kauft, dessen früherer Träger mit der Ferse nach innen gekippt ist und der neue Träger kippt vielleicht genau in die andere Richtung, dann ist das für das Kind eine Wackelei.

gesuendernet.de: Kinder fangen in der Regel barfuß oder auf Socken mit dem Laufen an, irgendwann kommen dann die Schuhe dazu. Wie verändert sich dadurch das Laufverhalten der Kinder?
Karen Janker: Kommen die Schuhe dazu, kann es sein, dass Veranlagungen zu bestimmten Fehlstellungen unterstützt werden. Der kindliche Fuß kommt, wenn er mit dem Laufen beginnt, von einer O-Bein-Position erstmal zu einer X-Bein-Position, bevor die Beinachse gerade gerichtet ist. Das ist ein ganz natürlicher Prozess. Babys stehen O-beinig, wenn sie die ersten Schritte machen. Das Kleinkind mit drei Jahren kennen wir eher etwas X-beinig. Das ist ganz typisch und völlig normal. Und bis zum Schulalter, sagt man, sollen die Füße dann in ihrer Gewölbestruktur ausgebaut sein. Auch beim Ausbilden der Beinachse spielen Fuß und Hüfte zusammen. Meine Erfahrung ist, dass ein Schuh das Spüren unterbindet und die Beweglichkeit des Fußes minimiert. Für die Schuhe gilt daher: Je dünner, je beweglicher die Sohle, desto mehr Information kommt bei dem Sinnesorgan Fuß wieder an. Ein Barfußschuh kann hier Sinn machen. Bin ich aber längere Strecken unterwegs oder gehe auch mal in die Berge mit meinem Kind, dann sollte der Fuß auch geschützt sein, sprich ruhig auch festes Schuhwerk getragen werden.

gesuenderent.de: Haben Sie Tipps für Eltern und Kinder, um die Füße zu Hause zu trainieren, wenn man schon häufig in Schuhen steckt?
Karen Janker: So oft es geht Barfußlaufen. Außerdem kann man beispielsweise Fußspiele in den Alltag einbauen, um den Fuß zu trainieren. Man kann etwa die Socken mal mit den Füßen ausziehen anstatt mit den Händen. Außerdem helfen Massagen und eincremen, um den Tastsinn im Fuß zu schulen.




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