Hallo Community,
Ich brauche Rat bei der Frage, ob ich einen Psychologen aufsuchen soll oder nicht. Im Alter von 13-16 litt ich offensichtlich unter Depressionen, doch momentan geht es mir ganz gut.
Meine Geschichte:
Kindheit: Meine Kindheit verlief sehr gut. In vier Jahren Grundschulzeit war ich durchgehend Jahrgangsbeste, ich konnte viel früher lesen als andere Kinder, ich war interessiert an allem, war so wissensdurstig wie man es nur sein kann, und meine Eltern mussten mich nie zum Lernen zwingen. Es war von überdurchschnittlicher Intelligenz die Rede, ich hätte eine oder zwei Klassen problemlos überspringen können, allerdings wollten meine Eltern mich nicht aus dem mir vertrauten Klassenverband reißen, also habe ich nicht übersprungen (die Option war mir zudem damals noch gar nicht bekannt). Abgesehen von den überragenden schulischen Leistungen war ich auch sonst ein sehr glückliches Kind. Die ländliche Gegend hat viel Platz zum Spielen geboten, und es gab auch sehr viele Kinder, mit denen man spielen konnte.
Das einzige Problem, das ich jetzt im Nachhinein sehe, ist, dass ich ziemlich verhätschelt wurde; wir waren nicht reich, aber gutes Mittelmaß, ich habe alles bekommen was ich wollte und musste beispielsweise nie im Haushalt oder in sonstigen Bereichen helfen.
Jugend: Mit 13 Jahren kam dann der plötzliche Bruch. Soweit ich mich erinnern kann, wollten sich meine Eltern scheiden lassen, als ich 12 war. Das könnte der Auslöser gewesen sein, da meine Kindheit in meinem Augen perfekt war, und das Bild einer perfekten Familie plötzlich zerstört wurde. Meine Schulnoten wurden kontinuierlich schlechter, mir fehlte die Motivation, ich sah keinen Sinn im Lernen, und auch keinen Sinn mehr im Leben. Von meiner Familie habe ich mich abgekapselt; natürlich wohnte ich noch mit ihr in einem Haus, aber ich habe keine richtig tiefe emotionale Verbindung mehr gespürt, ich reagierte nur gereizt auf meine Familienmitglieder, ganz egal, was war. Bereits mit 13 habe ich Abschiedsbriefe an einzelne Personen verfasst, da ich mir das Leben nehmen wollte - versucht habe ich es jedoch nie. Ich weiß nicht warum; entweder hatte ich tief in mir doch noch einen verborgenen Funken Hoffnung, oder ich war einfach zu feige, weil ich Angst vor Schmerzen und langem Leiden hatte.
Aufgrund von mehreren problematischen Beziehungen zu Männern, die fast einen eigenen Beitrag füllen könnten, festigte sich bei mir ein Gefühl der eigenen Wertlosigkeit; der Mann ist Mittelpunkt der Beziehung, ihm hat es gut zu gehen, ich war bloß froh wenn mich überhaupt einer genommen hat. Dieses Gefühl der Minderwertigkeit baute sich (oder baute ich?) immer weiter aus; später war ich in meinen Augen nicht nur als Partnerin, sondern generell als Mensch wertlos. "Nie kann ich was richtig machen". Die schlechten Schulnoten haben das alles ja noch unterstützt.
Im Nachhinein kann ich klar sagen, dass mein Problem nicht nur in einer schlechten Familiensituation lag, sondern auch (vereinfacht gesagt) durch falsche Selbst- und Fremdbilder. Ich war immer dann für kurze Zeit glücklich, wenn ich überhaupt in einer Beziehung war (mit wem auch immer), bis ich dann merkte, dass mich nur das "Nicht-Allein-Sein" und die Wertschätzung durch einen Mann (er will mich ja haben) glücklich gemacht haben, der Mann selber aber umgangssprachlich für die Tonne war. Vor 2 Jahren lernte ich dann zum ersten Mal einen Mann kennen, dem ich wirklich etwas wert war, und der mir auch als Person etwas bedeutete. Er war nicht "der Richtige", weshalb die Beziehung dann auch beendet wurde, aber er war gut zu mir und er hat mir gezeigt, dass auch ich etwas wert bin. Auch momentan habe ich einen Freund und bin glücklich mit ihm. Ich muss betonen, dass es für mich wirklich neu ist, einen Mann aufgrund seiner Person zu mögen und nicht bloß dankbar dafür zu sein, dass ich überhaupt mit einem zusammen sein darf.
Mein Glück hängt also sehr stark von den Beziehungen zu Männern ab. Auch, wenn sich mein Selbstbild und mein Bild von einer guten Beziehung so langsam verändern, habe ich all meine Erfahrungen und deren Folgen noch nicht gänzlich überwunden. Ich habe einfach so vieles aus meiner Jugend verdrängt, dass es mir fast so vorkommt, als wäre das alles gar nicht mir selbst passiert, sondern als wäre es eine Geschichte, die auf seltsame Weise mit mir zusammenhängt.
Trotz der Verdrängung könnte ich meine Erlebnisse noch weiter ausführen, gerade um das Ausmaß der von mir verspürten inneren Leere und der Hoffnungslosigkeit zu verdeutlichen, aber vielleicht kann man sich auch jetzt schon ein ungefähres Bild von dem Zustand meiner Psyche machen.
Meine eigentliche Frage ist nun also: Sollte ich einen Psychologen aufsuchen oder nicht? Mir geht es zur Zeit ja gut, aber die Erinnerung lastet immer noch auf mir. Abgesehen davon bin ich ja nicht automatisch von all meinem psychischen Leiden befreit, nur weil es mir momentan gut geht. Soll ich abwarten, ob erneut eine depressive Phase eintritt? Können Depressionen auch ohne therapeutische Hilfe vollständig überwunden werden, oder befinden sie sich einfach nur in Remission?