@ Pianoman,
ja, da scheint es jetzt ein kleines Problem mit Informationen zu geben. Ich weiß jetzt nicht, warum Sie den §128 nicht vollständig zitiert haben, aber dies kann ja leicht nachgeholt werden.
§128
Die neuern und neuesten Erfahrungen haben gelehrt, daß die Arzneisubstanzen in ihrem rohen Zustande, wenn sie zur Prüfung ihrer eigenthümlichen Wirkungen von der Versuchs-Person eingenommen worden, lange nicht so den vollen Reichthum der in ihnen verborgen liegenden Kräfte äußern, als wenn sie in hohen Verdünnungen durch gehöriges Reiben und Schütteln potenzirt zu dieser Absicht eingenommen worden; durch welche einfache Bearbeitung die in ihrem rohen Zustande verborgen und gleichsam schlafend gelegnen Kräfte bis zum Unglaublichen entwickelt und zur Thätigkeit erweckt werden. So erforscht man jetzt am besten, selbst die für schwach gehaltenen Substanzen in Hinsicht auf ihre Arzneikräfte, wenn man 4 bis 6 feinste Streukügelchen der 30sten Potenz einer solchen Substanz von der Versuchs-Person täglich, mit ein wenig Wasser angefeuchlet, oder vielmehr in einer größern oder geringern Menge Wasser aufgelöset und wohl zusammengeschüttelt, nüchtern einnehmen und dies mehrere Tage fortsetzen läßt.
Aus den ersten Sätzen des § 128 wird ganz klar die Reihenfolge in der Vorgehensweise geschildert. Erst wird die Wirkung der Rohsubstanz angeschaut. Danach wird im Vergleich beurteilt, ob und wie sich die Wirkung verändert, wenn das Mittel potenziert wurde. §128 läuft unter der Überschrift Potenzierung. In §129 wird noch näher auf die Verfahrensweise der Dosierung eingegangen.
Unter der Überschrift Arzneimittelprüfung finden sie die §§ 121,122.
Unter der Überschrift Arzneimittel §§ 123,124,125 geht ganz klar hervor, das die "Ursubstanzen" zunächst in ihrer Wirkung erforscht werden sollten. Erst danach wurden potenzierte Mittel eingesetzt. Hahnemann ging es ja gerade um die "veränderte" Wirkung. Ein Vergleich ist dafür schon notwendig.
Die §§ 105,106 laufen unter der Überschrift Arzneimittel. Dazu auch noch mal folgende Aussage: Quelle: http://www.mickler.de/potenzierung.htm
"im Gegensatz zum Ähnlichkeitsgesetz ist die Potenzierung der Arzneien also kein unerläßlicher Bestandteil der Homöopathie - das wissen die allermeisten Kritiker leider nicht, obwohl es eine einfache historische Tatsache ist. Die Methode ist grundsätzlich auch mit unpotenzierten Arzneien wirksam - sofern ihre Wirkungen der Krankheit ähnlich sind. So wurde in der Anfangszeit der Homöopathie noch ohne die Potenzierung von Arzneimitteln gearbeitet, z. B. war es möglich, Malaria mit der Chinarinde in nicht potenzierter Urtinktur zu heilen, wenn die Malariasymptome den China-Symptomen ähnlich waren - allerdings oft mit noch zu starken Reaktionen auf die Arznei. Einen Fall von Hahnemann finden Sie auch bei den Fallgeschichten, wo er einer Wäscherin einen Tropfen Zaunrebensaft (Bryonia alba) verabreicht.
Hahnemann beschreibt 1796 in seinem Artikel in Hufelands Journal (der damals bedeutendsten Medizin-Zeitschrift, die von dem berühmten Arzt C. W. Hufeland herausgegeben wurde), seine neue Methode der Arzneifindung - mit zahlreichen Beispielen versehen. Die Methode der Potenzierung ist hier noch nicht entwickelt, auch wenn Hahnemann zu dieser Zeit schon anfing, Arzneien immer stärker zu verdünnen, um die teilweise starken Reaktionen auf die rohen Arzneistoffe abzumildern. So wäre die Homöopathie als erfahrungswissenschaftliche Methode selbst dann noch nicht widerlegt, wenn die Potenzierung sich als unwirksam herausstellen würde, das für die Homöopathie grundlegende Ähnlichkeitsgesetz wird davon nicht berührt.
Noch etwas Interessantes, was nicht sehr bekannt ist: Wissen Sie, wann der erste Doppelblind-Versuch in der Geschichte der Medizin durchgeführt wurde? 1835 in Nürnberg, bei einer homöopathischen Arzneimittelprüfung, wie der Medizinhistoriker Prof. Robert Jütte berichtet!
Warum letztendlich Hochpotenzen wirksam sind, ist noch nicht eindeutig zu klären - wichtig ist einstweilen, daß sie wirken. Die Kraft und die Wirksamkeit der Arzneien nimmt mit der Potenzierung zu, wobei gleichzeitig unerwünscht starke Reaktionen auf die Arzneigabe weitestgehend ausbleiben, wenn man sie richtig anzuwenden weiß. Hahnemann selbst sei zum Schluß zitiert, er sagte zu diesem Thema 1835 (in Bezug auf die Wirksamkeit der C30, einer hoch potenzierten Arznei):
"[...] Indeß gehört dieser wahre Satz nicht unter die zu begreifen seyn sollenden, noch auch zu denen, für welche ich blinden Glauben fordre. Ich fordre gar keinen Glauben dafür, und verlange nicht, daß dieß Jemandem begreiflich sey. Auch ich begreife es nicht; genug aber, die Thatsache ist so und nicht anders. Bloß die Erfahrung sagt's, welcher ich mehr glaube, als meiner Einsicht." "
Hahnemanns Leistung im Kontext der damaligen medizinischen Behandlung liegt darin begründet, dass er erkannte, dass nur die Prüfung einer Arznei am Gesunden ihm etwas über eine mögliche innewohnende Wirkung verraten kann. Danach arbeitete er unter Dosisgesichtspunkten mit Verdünnungen. (Hier blieb dann aber oft ab einer gewissen Stufe eine Wirksamkeit aus). Danach arbeitete er mit Potenzierungen. (Verreiben-Verschütteln der Arzneien). Wie oben zitiert konnte er sich die Wirkungsveränderung ja auch nicht erklären, er hat nur festgestellt, dass sie stattfindet. Der Streit bezüglich der Homöopathie hängt sich heutzutage ja an den Hochpotenzen auf. Wie sieht es denn dagegen mit den Simile-Prinzip aus? Dies ist ja die eigentliche Grundlage der Homöopathie.
MfG Justitia