Vielen Dank, Ulrike2000, für die Identifizierung einer der Quellen Ihrer Weisheiten.
Der Paturi ist´s also: Der Alpen-Schamane und selbsternannter Capra für Arme. Physik goes Wahnwelten...
Aber so pauschal will ich Paturi dann doch nicht abhandeln.
Es ist in den Reihen der sogenannten Wissenschaftsjournalisten derzeit (mal wieder) Mode, Bücher zu schreiben, die weniger der Aufklärung als mehr der Befriedigung der Sensationsgeilheit des nach Mystik hechelnden Volks dienen. Der Journalist und Chemiker Rolf Froböse hat vor kurzem ein ebensolches Machwerk abgeliefert, dessen Würdigung durch ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Dr. Ulrich Berger von der Universität Wien schon fast als Lehrstück aufgeklärten Denkens zu bezeichnen ist.
http://kritischgedacht.wordpress.com/2008/04/19/jenseitige-quantenphsiker/
http://kritischgedacht.wordpress.com/2008/06/18/geheime-pr-des-zufalls/
Hier wie dort suggerieren Autoren wie Froböse oder eben Paturi, dass erkannte Absurditäten pseudowissenschaftlicher Weltbilder eigentlich ungeklärte Rätsel der Wissenschaft sind.
Dadurch eröffnen sich umfängliche Möglichkeiten, wild in der Landschaft herum zu spekulieren. Und das machen Felix Paturi oder eben Rolf Froböse mit der Attitüde des ernsthaft fragenden Wissenschaftlers, die einst z.B. Erich von Däniken auszeichnete.
Die Ernsthaftigkeit aber ändert nichts an der Spekulation.
Paturis Machwerk, "Die letzten Rätsel der Wissenschaft", ist ein ziemliches Ärgernis; vor allem, wenn man es sich unter falschen Voraussetzungen angeschafft, oder, wie ich, dummerweise geschenkt bekommen hat.
Nicht einmal so sehr wegen der Unzahl von Halbwahrheiten, Fehlinterpretationen oder des für einen angeblichen Wissenschaftler unverzeihlichen Mangels an kritischer Distanz, beispielsweise zum Kreationismus; nein, es ist die bewußte Irreführung durch den Titel, die einreden will, dass Paturi sich tatsächlich mit dem derzeitigen Erkenntnishorizont der Gegenwartswissenschaften beschäftigt, und es ist die Zeit, die man für solchen Müll opfert.
Dass Erkenntnis nur sehr beschränkt Paturis Intention ist, und sich höchsten im Bereich der Kosmologie bzw. der Elementarphysik etwas mehr als bloßer Unterhaltungswert ergibt, diese Erkenntnis stellt sich schnell ein. Für den Rest der oft schlecht recherchierten, wahllos aneinander gereihten Anekdoten gilt nämlich, dass die darin verbreitenen Informationen eigentlich das genaue Gegenteil einer objektiven Darstellung sind; sie desinformieren und manipulieren die Leserschaft im Sinne einer bestimmten, meist esoterischen angehauchten Weltsicht.
Dazu drei Beispiele:
1. Die "Batterien von Bagdad"
Auf den S. 126 - 131 erörtert Paturi den archäologischen Fund eines Tongefässes durch den Österreicher Wilhelm König, der in diesem Artefakt aufgrund der Bestandteile vermutete, ein antikes galvanisches Element gefunden zu haben. Dies These ist widerlegt bzw. weitesgehend unwahrscheinlich, weil nicht nur notwendiges Zubehör für den angeblichen Verwendungszweck nie gefunden wurde, sondern es aus archäologischer Sicht viel naheliegendere Erklärungen gibt, nämlich die Verwendung des Gegenstandes als religiöses Kultobjekt. Diese Erklärung liefert Paturi allerdings nicht.
Näheres dazu:
http://www.saeti.at/dendera.htm
http://de.wikipedia.org/wiki/Bagdad-Batterie
Dafür versteigt er sich in der abschließenden Behauptung: "Die alten Parther-Krüge lassen sich mit Sicherheit als galvanisches Element verwenden, denn sie lieferten nachweislich elektrischen Strom (Paturi meint hier Versuche mit Nachbauten, deren Bauteile und chemische Lösungen der heutigen Erkenntnis zur Galvanik entsprechen). Dass sie auch tatsächlich zu diesem Zweck verwendet wurden, ist sehr wahrscheinlich (genau das eben nicht, aber das macht die Sache ja langweilig), bewiesen ist es indes nicht."
Mit der gleichen Argumentation könnte man in einer urzeitlichen Kloake gefundene Apfelkerne zum Nachweis antiker Elektrizitätsanwendung benutzen, da wir -mit unserem heutigen chemischen Wissen - auch aus einem Apfel Strom gewinnen können.
2. Kröplin und das emotionale Wasser
Eine schlimme pseudowissenschaftliche Verirrung ist auf den S. 89- 92 zu finden. Dort stellt Paturi weitesgehend kritiklos die Versuche vom Emoto, vor allem aber die von Bernd Kröplin zu angeblich außerordentlichen Eigenschaften des Wassers vor.
Vor allem der ohne jede skeptische Randbemerkung zitierten Satz Kröplins "dass sich materielle Anordnungen in Flüssigkeiten ... durch geistige und emotionale Prozesse beeinflussen lassen", der den Schlußsatz einleitet, in dem Paturi mitteilt, "...dass die Zukunft dieser Forschung noch mit äußerst überraschenden Ergebnissen aufwarten dürfte, die dazu angetan sein könnten, die physikalische Weltsicht als Ganze erheblich zu verändern oder wenigsten zu werweitern.", ist mit äußerster Skepsis zu behandeln."
Hätte Paturi nur ansatzweise professionell recherchiert, oder überhaupt Interesse an einer objektiven Darstellung, wäre er beim Thema Wassergedächtnis nicht an der Arbeit von Thomas Elsässer vom renommierten Max-Born-Institut in Berlin-Adlershof vorbeigekommen.Der nämlich ist der - wissenschaftlich belegbaren - Auffassung: "Die Behauptung, dass Wasser molekulare Abdrücke speichern könne, ist nicht haltbar. Alle Experimente, die dazu durchgeführt wurden, sind entweder fehlerhaft oder nicht reproduzierbar."
Wolle man überhaupt von einem Gedächtnis des Wassers sprechen, so müsste man sich laut Elsässer damit abfinden, "dass Wasser sehr, sehr vergesslich ist". Elsässer und sein Forschungsteam haben die Bindungen von Wassermolekülen - so genannte Wasserstoffbrücken - in flüssigem Wasser untersucht und festgestellt: Sie ändern sich in unvorstellbar kurzen Zeiträumen - innerhalb einer Pikosekunde, das ist ein Millionstel einer Millionstel Sekunde- . Zu rasch, um Informationen etwa von einmal gelösten Wirkstoffen dauerhaft in den Molekülbindungen zu speichern.
An den Darstellungen von Benveniste, Emoto, Rey, Ennis, Kröplin u.a. Apologeten des Wassergedächtnis ist also berechtiger Zweifel angebracht, und genau dieser Zweifel, der die Erfolgsgeschichte der Wissenschaft und Aufklärung als wesentliches Element begleitet, ist der Fluch der Phantasten.
So äußert sich Kröplin dann auch ziemlich offenherzig in einem Essay der SWR:
Kröplin:
Ich glaube…, dass wir wegkommen müssen bei diesen Dingen von einer Methodik des Zweifels. Das ist der eigentliche, vielleicht gar der Fluch… unserer Existenz. Wir erkennen durch Zweifel. Wir erkennen dadurch, dass wir Dinge in die Dualität stellen und Dinge bezweifeln. … Und die ganze Wissenschaft ist eben so aufgebaut, dass sie die Wahrheit zu erkennen versucht, … indem sie die Dinge bezweifelt. Ich glaube, es wäre also wunderbar zu einer Methodik zu kommen, die das anders machen kann. Und wenn wir … über das Phänomen, also das Selbst-Erscheinende, vorgehen, dann kommt diese Härte des Zweifels in dem gar nicht vor. Und ich glaube, dass wir die Dinge auch anders erkennen können, also im positiven Sinne, ohne dass wir solche Versuchsanordnungen machen müssen.
Dass Kröplin dabei - ganz offensichtlich - den Generalfehler der Pseudowissenschaft(ler) begeht, nämlich sich nicht mehr der Kritik zu stellen, sondern ausschließlich die Bestätigung zu suchen, diskreditiert ihn als Wissenschaftler. Mag sein, dass die Niederlage mit seinem mißglückten Luftschiffprojekt ihn empfindlich gemacht hat für Kritik. Sicher ist, dass Paturi sich mit diesem Sachverhalten nicht beschäftigt hat.
3. Homöopathie - Von den Indianern zu Hahnemann
Abgesehen vielleicht von den Kapiteln zur Evolutionstheorie, in denen unkritisch völlig haltlose oder längst widerlegt Thesen der Kreationisten und Intelligent-Design-Bewegung wiedergegeben werden, ist die Abhandlung der Homöopathie auf den S. 223 - 230 die größte Zumutung dieses Elaborats.
Zu Anfang steht ein absurder Vergleich mit dem Hahnemanschen Heilverfahren und der Phytoheilkunde der amerikanischen Ureinwohner, für die es zwar nicht die geringste historische Begründung gibt, deren Publizierung aber im direkten Interesse des Autors liegt; schließlich muß auch für den Schamanismus Schweizerischer Prägung Marketing betrieben werden, und was würde sich dafür besser eigenen, als eine Verbindung zwischen "uralten" indianischen Traditionen und einem "etablierten" Alternativheilverfahren. Die Alternativ-Szene jedenfalls fährt auf solche historisch fragwürdigen Verbandelungen voll ab.
Im weiteren Text beschäftigt sich dann Paturi vor allem mit der Kritik der Homöopathie von Windeler und Wolf, veröffentlich auf den Seiten der GWUP (Gesellschaft für die wissenschaftliche Untersuchung von Parawissenschaften e.V.), wobei er sich erstaunlicherweise zuerst über die Sinnsprüche, die die beiden Autoren ihrem Artikel nachgestellt haben, echauffiert. Offenbar haben diese an der richtigen Stelle getroffen.
Sodann begibt er sich an die Entkräftung der vom ihm identifizierten Hauptkritikpunkte. Dabei schießen seine wortschwallig vorgetragenen Argumente allerdings dermaßen an den eigentlichen Kritkpunkten vorbei, dass jeder, der sich irgendwann von wissenschaftlicher Seite mit der Homöopathie beschäftigt hat, nur noch mitleidig mit dem Kopf schütteln kann.
Es ist aber insgesamt auch erstaunlich, dass Paturi sich nur mit dem Essay von Windeler und Wolf beschäftigt hat, und solche detaillierten Kritiken wie die von Prof. M. Lambeck, und besonders die von Otto Prokop völlig ignoriert. Hier mag der Wunsch existiert haben, der GWUP ein wenig vor´s Schienenbein zu treten, die sich schon mit einem anderen Werk Paturis kritisch auseinander gesetzt haben, dem 1989 erschienen, ziemlich ähnlich gestrickten Märchenbuch für Erwachsene "Die großen Rätsel unserer Welt".
Zum schlechten Schluß des Kapitels kommt dann wieder die übliche Verdummungstaktik zum Einsatz: Paturi berichtet über die offenbar bahnbrechenden Versuche von Schmidt, Süß und Nieber am Institut für Pharmazie a.d. Uni Leipzig, und über die Kritik an diesen von Bruhn, Wieland und Keck, "deren Begründung freilich noch aussteht." Diese Behauptung ist eine eindeutige Lüge.
http://www.xy44.de/belladonna/chrono/index.html
Mit perfider Taktik ist dann hinter den Namen der Kritiker der Satz zu finden, dass diese keine Ärzte wären. Was Paturi nicht erwähnt, dass die Herren Prof. Dr. rer.nat. Gerhard Bruhn, Darmstadt, Prof. Dr. rer.nat. Erhard Wielandt, Stuttgart, PD Dr. rer.nat. Klaus Keck, Konstanz, etablierte Naturwissenschaftler sind, und ganz sicher die Kompetenz zur Kritik besitzen.
Was er auch nicht erwähnt, ist der Skandal, der sich zum Zeitpunkt der Drucklegung seines Buchs schon längst an der Uni Leipzig entwickelt hatte. Was er ebenfalls verschweigt, ist die Tatsache, die die Deutsche Apotheker Zeitung in einem Artikel über die Veröffentlichung von Schmidt, Süß und Nieber 2005 mitteilt:
Nun, zum letzten Satz der Apotheker Zeitung muss nichts mehr erwähnt werden, und zum Paturi-Werk reicht´s mir jetzt auch.Arbeit zurückgezogen
Mittlerweile haben die Autoren (Schmidt, Süß, Nieber) der Arbeit - nach einer Denkpause - Fehler bei der Versuchsdurchführung und Auswertung eingestanden. Insbesondere fehlten notwendige Kontrollversuche und nicht alle Daten wurden in die statistische Auswertung einbezogen. Die Mitteilung in der Zeitschrift Biologische Medizin wurde zurückgezogen, der Preis zurückgegeben. Damit muss ein weiterer Versuch, die Wirkung von homöopathischen Verdünnungen in vitro nachzuweisen, ad acta gelegt werden.
Bleibt deshalb nur noch ein nüchternes Fazit, Ulrike2000: Paturi ? Als Referenz untauglich.
Pianoman