Hallo,

wie habt ihr denn eure bessere Hälfte kennengelernt? Mit oder ohne Behinderung? Nach oder vor dem Eintritt der ersten Symptome einer aufkommenden Krankheit/Behinderung?
Oder habt ihr auch sehr negative Erfahrungen gemacht?
Hier könnt ihr euch die Seele vom Leib schreiben )



Ich mache mal den Anfang und schreibe wie ich Sandra kennengelernt habe und warum sich ein "Normal-Bekloppter" für einen Menschen mit Behinderung entschieden hat (wobei ich in unserem Fall nicht von Entscheidung sprechen würde):


2002 habe ich mein Abitur gemacht und fing mit dem Zivildienst an. Bund kam für mich nicht in frage, weil ich mir dafür zu unsportlich war und ich mich auch nicht so unterstellen kann, wie es von einem Soldaten gefordert wird. Prinzipiell hab ich nichts gegen Bundeswehr, aber für mich ist das nix.
Ich hatte aber auch keine Lust mir vom Bundesamt für Zivildienst irgend eine Stelle in einem Behinderten- oder Altenheim oder mobile Pflege vorlegen zu lassen. Konnte mir auch nicht vorstellen fremde Menschen zu pflegen. Durch meine ehrenamtliche Arbeit in der Kirchengemeinde erfuhr ich durch einen Freund, dass er eine ganz laue Stelle beim Bundesverband
für Körper- und Mehrfachbehinderte bei der Dienststelle in Düsseldorf (auchn gleichzeitig die Hauptzentrale) hatte und er mir eine Empfehlung schreibt, damit ich mich dort bewerben kann. Dies habe ich getan und ich hatte die Stelle.
Meine Aufgabe bestand nun darin, die Versandabteilung für die Merkblätter und Bücher des vereinseigenen Verlages zu führen (ist eine 1-Mann-Zivi-Abteilung). Dazu gehörte per Mail und Telefon, sowie Fax Bestellungen anzunehmen und zu bearbeiten, rechnungen schreiben und Briefe, Päckchen zu verpacken und bei Dienstschluss mit dem Dienstwagen zu Post bringen.
Bei ca. 20-30 Bestellungen und ca. 10-50 Briefen Vereinspost hatte ich dort nicht wirklich viel zu tun. Stressig wurde es nur, wenn Mitgliedsrundschreiben verpackt und gestempelt, bzw. frankiert werden muassten. Manchmal waren es 1000 Briefsendungen, da hatte cih am Anfang ganz schön zu tun, aber später konnte ich 300 Briefe in der Stunde falten, in den Umschlag stecken und den Absenderstempel draufzudrücke.
Fand ich eine ungeheure Meisterleistung.
Neben dieser Arbeit musste ich noch dem behinderetn Mitarbeiter zur Hand gehen. Er ist spastiker und ich half im beim abheften von Papieren, kaufte ihm morgens ein Schinkenbrötchen auf dem Weg zur Arbeit und holte ab und zu einen Kasten Wasser für ihn.
Also keine großen Aufgaben. Wir entwickelten aber sehr schnell eine Freundschaft. Vorurteile gegen Menschen mit Handicap hatte ich nicht und wir beide hatten während der Arbeitszeit immer viel Spass. Da ich nicht immer vie zu tun hatte, war ich auch oft in seinem Büro.
So kam es, dass er mich schon 1 Monat nach meiner Einstellung fragte, ob ich ihn nach Freiberg begleite. Er leitet die Treffen der Bundesvertretung der Clubs und Gruppen behinderter Menschen. Da ich liebend gerne Auto fahre und wir den Ford Galaxy vom Verein dafür bekamen, war ich feuer und flamme und stimmte stolz sofort zu :-)

Dem 08.11.2002 fieberte ich also schon ganz doll entgegen und konnte die Nacht vorher tatsächlich nciht schlafen. Dann war es endlich so weit und freitag morgens um 9 fuhren wir endlich los. War ein tolles gefühl, ich am Steuer und das bis auf 2h Fahrt die ganze Zeit. Aufgrundn schlechter Verkehrsverhältnisse und vieler Baustellen waren wir sage und schreibe über 12h unterwegs bis wir endlich ankamen. Die anderen
waren schon länger da und hatten uns im Speisesaal des Hotels Regenbogenhaus schon erwartet. Ich kannte niemanden von ihnen und begrüßte alle recht schüchtern. Sandra ist mir da schon aufgefallen, fragt mich nicht warum. Nach dem Essen gab es die erste Sitzung. Ich erklärte mich Bereit mit Sandra das Protokoll zu schreiben. Sie war ganz froh, denn sie kam nicht immer so schnell mit dem Schreiben hinterher.
Mach dieser Sitzung war ich aber hundemüde und schenkte eigentlich keinem mehr so richtig Aufmerksamkeit und ging auf mein Zimmer um zu schlafen.

Am nächsten morgen begab ich mich ins Badezimmer und entdeckte zum ersten Mal in meinem Leben eine beindertengerechte ebenerdige Dusche. War das ein Traum. 2x2 Meter, für mich als großen langen Menschen eine wahre Freude, denn in so kleinen Kabinen ecke ich immer an. Ich duschte ausgiebeigst lange. (Später erfuhr ich, dass Sandra nebenan im Zimmer war und ich ihr an diesem Morgen das warme Wasser stal :-) )
Es ging zum Frühstück und jetzt sprach ich zum ersten Mal so richtig mit den anderen Anwesenden. Sie waren alle sehr nett und lustig.
Und dann ging es wieder mit Sitzung los, die den ganzen Tag mit ein paar Essenspausen dauerte. Ich schrieb fleißig Protokoll. Sandra saß mir und meinem Kollegen genau gegenüber. Es war ein langer großer Tisch und wir saßen je an den Kopfenden, ich mit meinem Kollegen und Sandra mit ihrer Begleitperson.
Ich hatte sie also immer gut im Blick :-)
Ich weiß nicht was der auslöser war, aber ich fand sie unheimlich nett und sympatisch. es war Liebe auf den ersten Blick glaube ich. ab da ging sie mir nicht mehr aus dem Kopf. Aber ich dachte, dass Sie eh nichts von einem 19-jährigen möchte und ich dachte mir, dass sie eh schon längst vergeben ist. So eine nette Frau muss einfach in festen Händen sein. Ich dachte nicht einmal daran, dass es aufgrund des Handicaps vielleicht Probleme gab einen Partner zu finden.
Spielte für mich keine Rolle, ich sah nur Sandra, ihre Person.
Abends nach der Sitzung saßen dann Sandra ich und mein Kollege und ein paar andere in einer gemütlichen Runde. Sandra mein Kollege und ich unterhielten uns und hatten den ganzen Abend was zu lachen. Sie gefiel mir immer mehr, gleichzeitig wurde ich immer wehmütiger, weil ich ja dachte sie wäre vergeben.
Sie direkt darauf anzusprechen traute ich mich auf keinen Fall.
Auch dieser Abend ging zu ende. Ich lag abends im Bett und dachte immer noch an Sandra. Sie ging mir absolut nicht aus dem Kopf. Ich wünschte mir, dass Sie meine Partnerin wird, aber gleichzeitig dachte ich nicht dran, dass daraus etwas wird.
Sonntag morgen war dann Frühstück, wieder eine Sitzung und nach dem Mittagessen gings an die Heimfahrt. Vorher sagte ich noch Sandra meine E-Mail-Adresse in meinem Büro, wegen dem Protokoll.

Dienstags nach dem Wochenende kam eine Mail mit Sandras Protokoll. Aber das war nur der Anfang eines regen Austauschs von Mails. Wir schrieben und jeden Tag und ich fand es wunderschön. Ich erzählte ihr in einer Mail, dass ich keine Freundin habe. Sie sagte, dass ein so netter wie ich schon die Richtige findet.
Wir tauschten dann auch unsere Handynummern aus und begannen zu simsen. Den Samstag des darauffolgenden Abends schrieben wir den ganzen Tag SMS, bis spät in die Nacht. Sandra bekam davon sogar eine Blase an dem Finger, mit dem sie tippte :-)
Ich war so glücklich, weil wir so regen Kontakt hatten. Am Sonntag, den 17.11. wartete ich aber den halben Tag vergebens auf eine Antwort einer SMS die ich ihr schrieb. Da war ich total traurig, weil ich dachte sie will nicht mehr mit mir reden.
Aber mittags kam eine SMS mit der Entschuldigung, dass sie Besuch hatte.
Ab dann ging es an den PC und wir chatteten über ICQ.
Und es kam wie es kommen musste *g* Ich machte immer mehr Andeutungen, dass ich ihr etwas sagen möchte, traute mich aber dennoch nicht. Sie zog es mir dann aus der Nase. Ich war total aufgeregt, wie sie reagieren wird.
Sie sagte: "Wenn Du Dir ganz sicher bist und dir im klaren bist, was auf dich zukommt, dann können wir es gemeinsam probieren". Ich sagte sofort ja, obwohl ich nur wusste, dass sie SMA hatte, ich schon tausend Dinge dazu im Internet gelesen hatte. Aber was jetzt genau auf mich zukommen würde wusste ich nicht. War mir auch egal, denn nun war ich der glücklichste Mensch auf der Welt.

Mit der Zeit lernten wir uns immer besser kennen, konnten uns aber das erste Mal erst im Dezember sehen und auch wöchentliche Treffen gab es leider nicht. Meine Eltern schoben total Stress, wie ich mit einer behinderten Person eine Beziehung eingehen kann.
Ich war trotzdem glücklich mit Sandra und freute mich auf jedes Treffen mit ihr. War auch immer total aufgeregt. Mit der Zeit merkte ich auch, was auf mich so zukommt, aber ich ließ es auf mich zukommen und lies mir alles von Sandra erklären.
Ich kann mich noch erinnern: Ich war das erste Mal bei ihr zu hause und wir fuhren nach Celle, das ist die Kreisstadt in der Region wo sie wohnt(e). Dort fütterte ich sie zum ersten Mal mit Pommes. Ich war mega aufgeregt, aber nicht wegen der anderen Menschen, die nahm ich gar nicht wahr. Ich dachte nur immer, dass ich irgendetwas falsch machen könnte und es Sandra mit übel nimmt....völlig grundlos meine Bedenken.
Sie führte mich immer mehr ein, was ihre Pflege anging. Sie zwang mich aber nicht, sondern sagte, dass ihre Mama es auch machen kann. Aber ich wollte nicht, denn ich liebe sie und wollte schon immer alles mit ihr und für sie machen.

Wir fuhren 2003 dann das erste Mal in den Urlaub nach Bayern. Dort übernahm ich auch zum ersten Mal ihre komplette Pflege. Wir hatten einen kleinen Mietwagen und waren total vom Urlaub begeistert. Ihr Handicap spielte für mich zu keiner Zeit eine große Rolle, ich bemerkte und bemerke es auch heute kaum.

Seit Feburar 2004 wohnen wir auch zusammen, ich machte mich von zu hause weg, wegen dem Streit meiner Eltern. Wir wohnten erst in einer 38,5qm Wohnung, jetzt im selben Haus in einer 79qm Wohnung. Ich liebe sie noch immer wie am ersten Tag. Mein Herz schlägt für Sie. Klingt vielleicht etwas kitschig für einen Mann, aber so ist es.
Seit September 2004 sind wir auch verlobt. Es war damals eine ganz schnelle Entscheidung und in der Zeit, wo der Streit mit meinen Eltern seinen Höhepunkt erreichte. Ich wollte ihr zeigen, dass ich sie wirklich liebe und ich wollte gleichzeitig meinen Eltern zeigen, dass ich zu der Partnerschaft stehe und Sandra nicht verlassen werde, sondern mein Leben mit ihr verbringen möchte.




Warum ich mich für einen Menschen mit Handicap entschieden habe? Ich finde es weniger eine Entscheidung, da ich nicht bewusste danach gesucht habe. Ich habe einen wunderbaren Menschen kennengelernt und auf mein Herz gehört. Vorurteile hatte ich nicht gegen einen Menschen mit Handicap. Sie ist für mich ein Mensch wie jeder Andere. Ihre körperliche Einschränkung spielt für mich keine Rolle, denn ich kann alles das mit ihr
machen, was mich interessiert und was ich mit einer anderen Frau auch machen könnte. Warum sollte ich mich dann gegen sie entscheiden...
Sie ist ein wundervoller Mensch, der mich unterstützt, mir ihre Liebe zeigt. Vielleicht anders als Andere, aber ich spüre es und das ist die Hauptsache. Ich denke, wir lieben uns vielleicht auch intensiver, bzw. nehmen den Partner intensiver war. Wir verstehen uns in vielen Dingen wortlos, weil jeder anders auf den anderen achtet. Auch kenne ich sie vielleicht intensiver als manch andere ihren Partner. Durch die Pflege entsteht ja auch noch eine andere Verbindung zueinander.
Auch funktioniert sonst alles, wie es in einer Beziehung zwischen 2 nichtbehinderten funktioniert.
Auch macht es mir nichts aus, dass Sie nicht im Haushalt aktiv helfen kann. Dafür macht Sie andere Dinge für mich und uns, die Sie am Computer oder Telefon erledigen kann. So gibt jeder seinen Teil dazu. Ich bin halt mehr für das Praktische zuständig. Ich schmeiße den Haushalt, bügle, koche und habe mein Studium erfolgreich durchgeführt und stehe kurz vor dem Abschluss. Alle Prüfungen sind erledigt. Sandra hat mich während der Prüfungen immer unterstützt und mir viel Kraft gegeben, wenn ich mal wieder durch eine Prüfung durchfiel. Sie hat immer an
mich geglaubt, während ich schon dachte mein Studium aufgeben zu müssen. (Ich hatte im ersten Semester nur 2 von 8 Prüfungen bestanden und auch im 2. lief es nicht besser). Sie zeigte mir aber immer wieder, dass man etwas erreichen kann, wenn man es will. So habe ich mich ganz doll angestrengt und habe alles in Regelzeit geschafft. Das macht mich sehr stolz. Durch Sandra merke ich zum ersten mal so richtig, dass ich jemand bin! In der Schulzeit von der 5.-10. Klasse hatte ich nur Probleme. Ich wurde gehänselt und psychisch von meinen Mitschülern und auch zum Teil
Lehrern fertig gemacht. Die damaligen Lehrer sagten meiner Mutter, ich wäre zu dumm für Abitur und Studium. Daraufhin habe ich vor der 11. Klasse die Schule gewechselt. Dort waren die Mitschüler wesentlich netter und ich hatte zum ersten Mal in meinem Leben das Gefühl, dass mich auch jemand so akzeptiert wie ich bin und ich mit anderen viel Spass haben kann. In dieser Zeit begann ich selbstbewusster zu leben und mir ging es richtig gut. Als dann noch Sandra in mein Leben trat, wurde es noch viel viel besser. Seit der neuen Schule habe ich die schönste Zeit meines Lebens vollbracht.
Ich hatte endlich Freunde und jetzt habe ich eine super tolle Partnerin, die ich über alles liebe und für die ich mein letzte Hemd geben würde. Wir haben auch Kontakt zu einigen meiner Schulfreunde, zum "harten Kern" der auch noch nach dem Abi Kontakt hat. Sie haben sich nie über meine Beziehung zu Sandra beklagt oder sich zurückgezogen. Sie waren schon auf lustigen Partys bein uns zu hause und wir haben alle schon viel Spass in der Düsseldorfer Altstadt gehabt.
Sie haben es auch nie verstanden, weshalb meine Eltern wegen Sandra so einen Stress schoben.

"Schwieriger" finde ich es auch nicht. Habe aber auch keinen Verglaich, denn Sandra ist meine erste richtige Partnerin. Aber schwer finde ich es trotzdem nicht. Schwierig ist etwas nur, wenn man es schwierig und kompliziert macht.

Jetzt habe ich aber einen Roman geschrieben :-) Jetzt seid ihr dran!