
von
Nachtigall
Hallo Harry
da ich in einem mobilen Pflegedienst arbeite, kann ich aus eigener Erfahrung sprechen.
In den Pflegebericht schreiben wir, was wir beobachten und was auffällig ist. Wir sind angehalten, nicht das zu schreiben, was wir genau getan haben - das wird alles im Leistungsnachweis angekreuzt und abgezeichnet. Wir dokumentieren natürlich Verletzungen und blaue Flecken usw., aber nicht aus dem Grund, um zu beanstanden, dass evtl. der Angehörige Pflegefehler macht, sondern aus den Gründen, dass die Pflegekraft der nächsten Schicht Information darüber bekommt und dann, um alles nachvollziehen zu können, ob es besondere Gründe wie Schwindelanfälle oder sonstiges gibt. Wenn jemand in unserem Beisein stürzt und Verletzungen hat, was durchaus vorkommen kann, müssen wir ein Sturzprotokoll anlegen, oder bei bestimmten Wunden wird ein Wundprotokoll angelegt. Das alles machen wir nicht aus Lust und Laune, sondern weil der MdK alles dokumentiert haben will. Wenn wir z. B. Hämatome nicht eintragen und es damit Komplikationen gibt, z. B. eine innere Blutung, dann haben wir den schwarzen Peter, weil wir nicht drauf geachtet haben oder weil wir nicht mehr nachvollziehen können, wie der Verlauf war. Denn wenn irgendeine Gefahr besteht, dann müssen wir darauf eingehen und empfehlen, den Arzt hinzuzuziehen. Es geht wirklich nicht darum, Angehörige als unfähig hinzustellen oder zu verunsichern, sondern es muss uns in erster Linie um das Patientenwohl gehen. Wenn wir beobachten, dass jemand wenig trinkt, dann muss überlegt werden, ob eine Bilanzierung notwenig ist, d. h. dass das Trinkverhalten dokumentiert wird. Aber das sieht man den Patienten auch an. (Bei einmal zu wenig trinken sagt man dann eben: "Dafür trinken Sie dann einfach morgen wieder mehr.") Wenn dann die Angehörigen nicht drauf eingehen, ist das ihre Sache, dann dokumentieren wir auch das Gespräch mit den Angehörigen. Wir sind neben den Angehörigen mitverantwortlich für eine gute Pflege, und "was nicht dokumentiert ist, haben wir nicht getan oder nicht beobachtet", was uns dann wieder als Pflegefehler angelastet werden kann. Wir dürfen auch keine Diagnosen stellen, sondern können eben nur hineinschreiben, dass z. B. der Patientin die Beine schmerzen, wenn man nichts sieht. Rötungen und Schwellungen usw. sind auf jeden Fall zu dokumentieren, und dass wir den Angehörigen auf bestimmte Risiken aufmerksam gemacht haben. Wo wir beim Pflegeprotokoll etwas Probleme haben, ist, dass wir jedes Mal etwas hineinschreiben müssen, aber nur Besonderheiten aufschreiben sollen, so verlangt es der MdK. Dann kann das schon mal passieren, dass man schreibt, die Pat. habe wenig gegessen. Solche Dinge bitte mit der PDL klären.
Wenn der Pflegedienst vorschlägt, eine Erhöhung der Pflegestufe zu beantragen, ist das etwas ganz Normales, und die Angehörigen sind eigentlich immer ganz froh, in der Hinsicht Hilfe zu bekommen. Schließlich geht es um einiges an Geld- und Sachleistungen. Es ist aber nicht üblich, die Angehörigen zu drängen, man respektiert es normalerweise, wenn sie sagen, dass ihnen diese Pflegestufe als ausreichend vorkommt, obgleich ich so was noch nie erlebt habe, denn eigentlich sind alle froh, wenn die Pflegestufe erhöht wird. Und der Pflegedienst empfiehlt es eigentlich nur bei Verschlechterungen, weil sonst die ganze Mühe vergeblich ist, wenn dann der MdK kommt und es keine Verschlechterung gibt.
Wenn eine Pflegekraft Mist baut, dann sollte das der PDL auf jeden Fall gemeldet werden, das gilt auch für unwahre Aussagen und Dokumentationen. Auch dann, wenn die Pflegekraft unfreundlich ist oder unsachgemäß arbeitet. Und auch wenn die Mutter Angst vor jemandem hat, muss die Ursache herausgefunden werden.
Es macht mich jedoch stutzig, wenn die Mutter sagt, die Pflegekraft wolle sie schlagen und umbringen. Ich hatte mal eine Patientin, die mir davonlief. Sie regte sich sehr auf über mich und verlangte, dass die Polizei mich abführen solle, denn ich hätte einen Komplott gegen sie geschmiedet (mit jemandem, der schon lange verstorben ist und den ich gar nicht kenne). Und das, obwohl ich ganz freundlich und würdevoll mit ihr umgegangen war, eben wie es sich gehört. Aber sie war im Kopf nicht mehr ganz klar, was bei den älteren Menschen sehr oft vorkommt, und das kommt oft schleichend und für die Angehörigen unbemerkt. Auf jeden Fall muss das Ganze gründlich abgeklärt werden.
Auch wenn es Angst-Attacken gibt, muss das dokumentiert werden. Der der Arzt muss die Dokus einsehen und nachvollziehen können, wie lange welche Symptome schon da sind. Wenn natürlich Hämatome an den Armen notiert werden, aber z. B. am Knie übersehen werden, ist das nicht in Ordnung. Außer wenn Patienten sich ständig stoßen und jeden Tag 10 neue blaue Flecken haben, dann schreibt man diesen Zustand eher allgemein.
Der Vermerk bei dem Weglaufen der Mutter: "... Sohn wurde angezeigt" ist nicht im Sinne der Dokumentation, weil das nicht die Mutter selbst betrifft. Solche Dinge sollten mit der PDL geklärt werden, ebenso das mit dem Absperren der Türe. Wenn sie weglaufgefährdet ist, dann muss die rechtliche Sache genau geklärt werden wg. evtl. Freiheitsberaubung, wie Feli schon sagte.
Ich hoffe, dass dir damit einiges klarer wird und du manches besser verstehst. Auf jeden Fall solltest du mit der PDL ausführlich über oben genannte Bedenken sprechen. Wenn ihr zu keiner Einigung kommt, dann kannst du immer noch kündigen und dir einen anderen Pflegedienst suchen. Aber Vorsicht: Wenn die Mutter vor dieser oder jener Pflegekraft Angst hat, geschlagen oder umgebracht zu werden, sollte sie dahingehend gut untersucht werden, denn normalerweise verhalten sich Pflegekräfte nicht so, dass zu dieser Besorgnis Anlass gegeben ist.
Alles Gute!