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Berlin. Dass der Arztbesuch zum Risiko wird, kann jeden treffen. Manchmal endet das sogar tödlich. Spektakuläre Kunstfehler sind glücklicherweise die Ausnahme. Doch dass die Regeln der ärztlichen Kunst nicht eingehalten werden, kommt immer wieder vor, sogar bei Routineeingriffen. Das zeigt die neue Beschwerdestatistik der Bundesärztekammer für das Jahr 2008.
Insgesamt 10 967 mal fühlten sich Patienten falsch behandelt und wandten sich an Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Ärztekammern. Die stellten immerhin 84 mal so schwere ärztliche Kunstfehler fest, dass Patienten daran starben. In 169 Fällen blieben schwere Dauerschäden zurück. Die meisten Fehler gab es bei der Implantation von künstlichen Hüft- und Kniegelenken sowie bei der Behandlung von Brustkrebs und Knochenbrüchen.
Pfusch am Patienten ist ein altes und leidiges Thema, denn niemand - auch Ärzte nicht - gibt gerne Fehler zu. Verbraucherschützer gehen deshalb von einer hohen Dunkelziffer aus. Es kursieren sogar Zahlen von bis zu 560 000 - wenn auch meist folgenlosen - fehlerbehafteten Krankenhaus-Behandlungen. Immerhin gibt es seit 2006 im Internet eine Datenbank, bei der Mediziner und Pfleger anonym ihre Patzer eingestehen können.
"Wenn man viel arbeitet, macht man natürlich auch mal einen Fehler", sagt Andreas Crusius, Vorsitzender der Konferenz der ärztlichen Gutachterkommissionen. Dies gelte vor allem für die häufig überlasteten Krankenhausmediziner. Gut zwei Drittel aller Kunstfehler passieren dort. Gleichwohl weiß auch er: "Jeder Fehler ist einer zu viel." Deshalb gehe die Ärzteschaft mit den Fehlerstatistiken "transparent um" - um daraus zu lernen. Angesichts von 440 Millionen Arzt-Patienten-Kontakten jährlich im ambulanten Bereich und 17 Millionen stationären Behandlungsfällen muten die Fehlerzahlen im Promille-Bereich zwar gering an.
Doch für die Betroffenen ist das kein Trost, zumal wenn es sich um einen inzwischen häufigen Eingriff wie eine Hüftoperation handelt. Diese wurde im vergangenen Jahr rund 150 000 Mal vorgenommen. Das Risiko von Nervenschädigungen, Gefühlsstörungen oder Lähmungen ist beträchtlich. 27 Prozent der Beschwerden dieser Fallgruppe - also mehr als ein Viertel - beziehen sich allein darauf. Auch bei sorgfältigster Vorbereitung einer Hüftgelenk-Implantation gebe es immer wieder "unvermeidbare Auswirkungen", räumt die Medizin-Expertin Renée Fuhrmann ein.
Verbraucherschützer werfen den Ärzten seit Langem vor, sich gegenseitig zu decken - ganz nach dem Motto: "Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus." Deshalb sei Behandlungs-Pfusch auch nur schwer nachweisbar. Überlegungen in der Bundesregierung, den Nachweis gesetzlich zu erleichtern, weist Crusius zurück: Als "Belastung für das Partnerschaftsmodell in der Arzt-Patienten-Beziehung". Er hält die Gutachtenkommissionen und Schlichtungsstellen für ein "positives Beispiel für den Umgang mit Behandlungsfehlern".
SPEKTAKULÄRE KUNSTFEHLER
Eine 78-Jährige wird im März 2008 im Krankenhaus Münchberg (Bayern) das Opfer einer Verwechslung am OP-Tisch. Statt der erforderlichen Operation am Bein wird der Frau fälschlicherweise ein künstlicher Darmausgang gelegt.
Das Landgericht Bielefeld spricht einem früheren Jugendfußballer nach einem Kunstfehler 1,36 Millionen Euro Schadenersatz zu. Er hatte eine Klinik auf entgangene Einnahmen als Profispieler verklagt. Der damals 18-Jährige hatte 1993 einen Meniskusabriss und einen Kreuzbandriss erlitten. Eine Infektion im Knie behandelten die Ärzte zu spät. Das Gericht wertete das als groben Behandlungsfehler.
Sechs Jahre nach dem Tod einer Patientin wird ein 67 Jahre alter Klinikbesitzer aus Straubing (Bayern) im März 2005 wegen Totschlags und Körperverletzung zu drei Jahren Haft verurteilt. Bei der Herz-OP einer 55-Jährigen wurde eine Schlagader verletzt. Obwohl der Chefarzt Komplikationen bemerkte, ließ er die lebensgefährlich Verletzte erst nach sechs Stunden in eine größere Klinik bringen. Grund für die Verzögerung waren laut Landgericht Regensburg persönliche Differenzen mit einer nahe gelegenen Konkurrenz-Klinik.
Ein Chefarzt am Krankenhaus Radolfzell (Baden-Württemberg) vergisst ein Operationsbesteck im Bauch einer Patientin. Das 30 Zentimeter lange Instrument wird erst neun Monate später auf einer Röntgenaufnahme entdeckt. Der Mediziner wird 1999 für seinen Fehler zu einer Geldstrafe von 24 000 Mark (rund 12 300 Euro) verurteilt.
(DPA)
Als Betroffener fällt mir dazu eine Menge ein :rolleyes: