Acne Inversa ist vielen Nichtbetroffenen auch nicht bekannt. Doch etwa ein Prozent der Bevölkerung leidet vermutlich an ihr. Das verbirgt sich hinter der Krankheit.
Karl Marx, so wurde posthum diagnostiziert, litt an Acne Inversa. Und er war und ist damit nicht allein. In Deutschland ist mindestens ein Prozent der Bevölkerung von der Hauterkrankung betroffen, die Dunkelziffer liegt vermutlich deutlich höher. Dr. med. Sylke Schneider-Burrus, Leiterin der Dermatochirurgischen Ambulanz an der Charité Berlin, erklärt im Experteninterview was Acne Inversa ist und wie man sie behandeln kann.

gesuendernet.de: Frau Dr. Schneider-Burrus, Was genau versteht man unter Acne Inversa?
Dr. med. Sylke Schneider-Burrus: Acne Inversa ist eine chronisch-entzündliche Krankheit der Haut, die mit Fistelbildung einhergeht. Diese Fisteln finden sich vor allem in den Achselhöhlen, in den Leisten, im Genitalbereich, unter der Brust, an den Oberschenkeln und manchmal auch am Bauch wieder. Meistens beginnt die Erkrankung mit einzelnen Knoten, die sich dann entzünden und zu Abszessen werden. Im Laufe der Zeit entwickelt sich ein System an Fisteln. Die Acne Inversa ist eine chronische Erkrankung, das heißt sie besteht in der Regel für viele Jahre, wenn nicht sogar lebenslang. Sie bringt zudem häufig auch psychologisch starke Einschränkungen für den Patienten mit.

gesuendernet.de: Wie kommt es, dass die Acne Inversa zu psychologischen Problemen führt – vor allem aus ästhetischen Gründen?
Dr. med. Sylke Schneider-Burrus: Auch. Es ist aber auch so, dass es zu unangenehmer Geruchsbildung kommt. Aus den Fisteln tritt häufig ein eitriges Sekret aus, das recht übel riechen kann. Das ist natürlich sehr unangenehm für den Patienten. Darüber hinaus beeinflussen die Knoten und Fisteln im Genitalbereich, an den Leisten und Oberschenkeln das Sexualleben. Die Patienten nehmen häufig nicht mehr am normalen Leben teil und schämen sich dann häufig auch für ihre körperlichen Veränderungen.

gesuendernet.de: Wie erkrankt man an Acne Inversa, was sind die Ursachen?
Dr. med. Sylke Schneider-Burrus: Wir wissen heute, dass Patienten, die an Acne Inversa erkrankt sind, einen Defekt in der Innate Immunity aufweisen, also dem angeborenen Immunsystem. Das geht damit einher, dass man in der Haut von Acne-Inversa-Patienten im Vergleich zu gesunden Menschen vermindert Abwehrstoffe findet. Das führt dazu, dass schon geringere, bakterielle Infektionen ein größeres Ausmaß annehmen können. Das ist eine Ursache für die Erkrankung. Ansonsten ist das Feld noch relativ unerforscht. Da erhoffen wir uns in der Zukunft viele weitere Erkenntnisse. Es liegt beispielsweise auch nahe, dass eine genetische Komponente eine Rolle spielt. 30 Prozent der Betroffenen haben einen Verwandten ersten Grades, der auch an Acne Inversa erkrankt ist. Wir wissen bereits auch, dass Raucher viel häufiger betroffen sind als Nichtraucher – je nach Studie bewegen sich die Zahlen um die 90 Prozent. Und schließlich wissen wir, dass das Gewicht ein weiterer Faktor ist. Eine Gewichtsreduktion kann sich sehr deutlich auf den Verlauf der Krankheit auswirken und auch bei der Pathogenese, also der Entwicklung der Krankheit, spielt das Gewicht eine Rolle. Wie das aber alles zusammenhängt, weiß man noch nicht.

gesuendernet.de: Und wie kann man die Acne Inversa behandeln?
Dr. med. Sylke Schneider-Burrus: Bis vor wenigen Jahren gab es eigentlich nur die chirurgische Therapie. Man hat also die betroffenen Areale herausgeschnitten, hat anschließend die Wunden von unten heilen lassen und dann Haut verpflanzt oder die Wunden auch sekundär von der Seite zuheilen lassen. Heute weiß man, dass zumindest in den frühen Stadien die Operation nicht das Mittel der Wahl ist. Stattdessen kann man systemische Therapien anwenden, beispielsweise eine längerfristige Antibiotika-Behandlung. Diese bringt häufig schon eine deutliche Besserung. Und inzwischen gibt es mit Adalimumab das erste zugelassene Medikament für die Acne Inversa. Es wirkt vor allem bei den entzündlichen Komponenten der Erkrankung sehr gut und kann die Erkrankung dann auch stoppen. Wir wissen aber heute noch nicht genau, bei wem und in welchen Fällen welche Therapie am besten funktioniert. Aber: Wenn es zu anatomischen Veränderungen kommt, der Patient Fisteln hat oder große Narben, die zusammengezogen sind, dann steht in jedem Fall irgendwann eine Operation an.

gesuendernet.de: Wie genau erkennt man eine Acne Inversa, wie sehen die betroffenen Areale aus?
Dr. med. Sylke Schneider-Burrus: Los geht es in der Regel mit entzündlichen, roten Knoten oder Papeln, also kleinen Knötchen. Diese entzünden sich und werden teilweise zu richtigen Abszessen mit bis zu faustgroßen Höhlen, die mit Eiter gefüllt sind. Diese können sich dann plötzlich eröffnen oder sind einfach nur sehr schmerzhaft und müssen vom Arzt eröffnet werden. Wenn der Arzt die Höhle eröffnet hat, sorgt das schon mal für eine erste Erleichterung. Im weiteren Verlauf ändert sich das Krankheitsbild ein wenig, sodass man unter der Haut Fistelverbindungen tasten kann, wie Stifte, die unter der Haut liegen. Zum Teil haben diese dann auch Knoten an ihren Enden und Eiter und anderes Sekret tritt aus.

gesuendernet.de: All die Orte, an denen Acne Inversa auftritt, sind ja sehr warme, schweißige Gegenden. Welche Rolle spielt der Schweiß beziehungsweise die Schweißdrüsen bei der Erkrankung?
Dr. med. Sylke Schneider-Burrus: In der Tat ist man früher von einem direkten Zusammenhang ausgegangen. Im Englischen bezeichnet man die Erkrankung auch Hidradenitis suppurativa, was so viel heißt wie eitrige Schweißdrüsenentzündung. Inzwischen weiß man aber, dass die Schweißdrüsen erst sekundär beteiligt sind. Sie sind also nicht die Ursache des Problems. Im Laufe der Erkrankung entzünden sich nur alle Komponenten der Haut und somit auch die Schweißdrüsen. Eher haben die haartragenden Areale mit der Entstehung der Acne Inversa zu tun. An den Haarfollikeln entwickeln sich die primären Konten, die primären Entzündungen.

gesuendernet.de: Welche Rolle spielt die Hygiene bei der Acne Inversa?
Dr. med. Sylke Schneider-Burrus: Mangelnde Hygiene ist keine Ursache für Acne Inversa. Aber natürlich ist es wichtig Hygienemaßnahmen zu ergreifen, wenn an den genannten Stellen Wundflächen sind oder eitriges Sekret austritt. Aber das macht eigentlich jeder Patient automatisch. Fakt ist: Es gibt keinen Zusammenhang zwischen mangelnder Hygiene und dem Entstehen der Krankheit. Einen normalen Hygienestandard sollte man aber natürlich einhalten, wie jeder gesunde Mensch auch.

gesuendernet.de: Sie haben die psychische Belastung angesprochen, unter der viele Patienten leiden. Geht eine Behandlung entsprechend auch mit einer Psychotherapie einher?
Dr. med. Sylke Schneider-Burrus: Ja, das ist eine sehr wichtige Komponente. Die Patienten haben häufig einen hohen Leidensdruck. Daher brauchen sie häufig auch eine gute psychotherapeutische Begleitung. Der Anteil an psychischen Erkrankungen bei Acne Inversa Patienten ist auffallend hoch. Wichtig ist daher auch, dass schon der Dermatologe gemeinsam mit dem Patienten klar eruiert, wo der Schuh drückt und wie das Behandlungsziel aussehen sollte.

gesuendernet.de: Wie sieht es mit den Behandlungskosten aus, übernimmt die Kasse entsprechende Maßnahmen?
Dr. med. Sylke Schneider-Burrus: In der Regel ja. Die Krankenkasse kommt für die Behandlungskosten auf, zahlt auch die gängigen und zugelassenen Medikamente bei geringer Zuzahlung. Da braucht man in der Regel keine Sorgen zu haben, auf den Kosten sitzen zu bleiben.

Weitere Informationen gibt es auch unter www.acneinversa.de





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