sexueller Missbrauch in der Kindheit
Hallo,
ich weiß nicht so recht, ob ich (w, 35J.) hier richtig bin.
Es geht um eine lange Geschichte, die lange zurück liegt. Um nicht zu sagen, 15 Jahre.
Ich habe bis zum heutigen Tage mit keinem darüber geredet, es ist etwas einfacher, darüber im relativ anonymen Internet darüber zu schreiben.
Mein ältester Bruder hat mich über viele Jahre (gut 10 Jahre) regelmäßig sexuell missbraucht (komplette Programm, inkl. Vergewaltigungen). Ich habe mit ihm mittlerweile nur selten Kontakt und bin sehr froh, das er auf der anderen Erdhalbkugel ist.
Wenn meine Mutter davon erfährt, würde sie das wohl frühzeitig ins Grab bringen (schwer Herzkrank) und mein Vater würde das vollends fertig machen. Wie er reagieren würde/wird, kann ich überhaupt nicht abschätzen.
Jetzt bin *ich* aber soweit, das ich darüber mit wem reden *muss.
Nur mit wem?
Hausarzt? Da habe ich Sorge, das man einen Stempel aufgedrückt bekommt und in eine Schublade gesteckt wird.
Beste Freundin? Da habe ich Angst, sie dadurch zu verlieren (warum auch immer).
Ich bin darüber "ein wenig" verzweifelt. ???
Könnt ihr mir da irgendeinen Rat geben?
AW: sexueller Missbrauch in der Kindheit
Es ist schwierig, für solche traumatischen Erfahrungen die rechten Zuhörer zu finden bzw. zu nennen.
Da aber auch immer die Gefahr besteht, dass sich die erlebten psychischen Belastungen später in somatischen Störungen darstellen, sollten Sie sich zuerst an einen Neurologen/Psychiater wenden, um mit diesem weitere Perspektiven zu entwickeln.
Weiterhin existieren für Mißbrauchsopfer im nichtmedizinischen Bereich Ansprechpartner in verschiedenen Selbsthilfeorganisationen. Ich habe dazu zwei Links eingestellt. Ich bin mir sicher, dass die Fachleute in diesen Einrichtungen Ihnen kompetente Gesprächspartner nennen werden.
http://www.wildwasser.de/
http://www.zartbitter.de/content/index_ger.html
Ich hoffe, Ihnen ein wenig weiter geholfen zu haben.
Pianoman
AW: sexueller Missbrauch in der Kindheit
Hallo
Dieses Thema ist immer schwer anzusprechen, aber es in sich zu vergraben ist auch nicht gut. Ich würde Dir empfehlen eine psychosoziale Beratungsstelle (z. B. Caritas-verband) zu kontaktieren. Bei uns in der Nähe gibt es eine Beratungsstelle Namens Zornröschen. Ob Du eine Bestrafung für Deinen Bruder möchtest, mußt Du entscheiden. Aber Dir sollte auch bewußt sein, dass Du evtl. nicht das einzige Opfer Deines Bruders bist und vielleicht im Moment jemand anderes unter ihm zu Leiden hat. Er benötigt ebenfalls Hilfe, aber das ist nicht Deine Aufgabe. Für Dich ist es erst einmal wichtiger, einen Gesprächspartner zu finden, mit dem Du über Deine Erlebnisse sprechen kannst und Deine Wunden heilen können.
Ich wünsche Dir viel Kraft diesen Weg aufrecht zu gehen.
Alles Gute
Tanja
AW: sexueller Missbrauch in der Kindheit
Eine Bestrafung meines Bruders will ich nicht, da es den "Fall" in die Öffentlichkeit ziehen würde. Das wäre beruflich für mich ein Todesurteil. Auch will ich das meinen Eltern nicht antun. Des Weiteren ist er mittlerweile nur noch max. einmal im Jahr in Deutschland und dann idR auch nicht hier zu Hause (das macht es für mich einfacher). Für *mich* ist es gerade sowas von egal, was er nun macht.
Bis jetzt führe ich auf die Erlebnisse "lediglich" mein starkes Übergewicht (BMI38, Tendenz fallend) zurück. Ich habe halt alles in mich rein gefressen (das ändere ich gerade).
Leichte depressive Neigungen habe ich auch, inkl. Suizidgedanken, aber da liebe ich das Leben doch zu sehr.
Eine große innerliche Anspannung ist auch da, welche sich in Verspannungen in Rücken/Nacken äußert.
Vertrauen in andere finde ich nur schwer.
Wie würde es denn beim Neurologen/Psychiater von statten gehen?
Den Links gehe ich gleich mal nach.
Oder mache ich mich nur verrückt?
AW: sexueller Missbrauch in der Kindheit
Nochmal Hallo
Also bei mir in der Familie ist meiner ältesten Schwester das Gleiche passiert wie Dir, nur das es bei ihr unser Vater war. -Ich glaube, sie hat sich für meine andere Schwester und mich geoftert, damit es mit uns nicht auch geschied. Nun ja, meine ältere Schwester hat dadurch ein schwer behindertes Kind zur Welt gebracht, welches aber mit 21 Jahren vor gut 13 Jahren starb. Aus die Sache mit meinem Vater ans Licht kam, hat er sich der Bestrafung durch Suizid entzogen. Auch heißt es, dass mein Vater meinen Bruder (der Älteste) mißbraucht und an meine Schwester "angelernt" hat.
Im November ist mein Bruder auf Bewährung und zu einer Geldstrafen verurteilt worden, wg. "sexuellen Übergriff" auf ein 14 jähriges Mädchen aus dem Verwandtenkreis.
Ich glaube, meine Schwester hat es bis heute nicht überwunden und wahrscheinlich kann man das auch gar nicht, sondern nur lernen damit besser zu leben und umzugehen. Sie leidet unter sehr starkem Übergewicht (BMI 55) , kann nicht gut Ordnung halten und ist sowohl mit ihrer Wohnung als auch mit sich selbst nicht sehr "reinlich".
Solange meine Schwester dieses Thema nicht anspricht, sprechen wir auch nicht unbedingt darüber. Aber ich persönlich würde gerne mehr erfahren, akzeptiere aber ihr Verhalten und begnüge mich damit was ich weiß.
Versuche für Dich dringend einen Ansprechpartner zu finden. Für den Akutfall, rufe die Telefonseelsorge an 24h kostenlos.
Bis dann
Tanja
AW: sexueller Missbrauch in der Kindheit
Zitat:
Aber ich persönlich würde gerne mehr erfahren
wie meinst du das? So generell oder in ihrem Fall?
Ich kann für *mich* sagen, das es für mich ein Teil "normal" war. Das man sich geschämt hat, man Angst vor einer Bestrafung hatte.
Ich selbst habe es so in etwa 14 Jahre lang einfach verdrängt und seit etwa einem Jahr wird mir bewusst, das ich darüber reden sollte. Und in letzter Zeit ist mir es ganz klar geworden, das es raus muss. Aber ich habe nicht wirklich das Gefühl, eine Therapie zu benötigen ???
AW: sexueller Missbrauch in der Kindheit
Sexueller Mißbrauch an Kindern verjährt in Deutschland nach 10 Jahren (in Österreich nach 15 Jahren).Seit 2002 gibt es eine Hemmung der Verjährungsfristen bis zum 21. Lebensjahr des Opfers) - Dein Bruder würde warscheinlich nicht bestraft werden können. Nach der Verjährungsfrist ist die Gesetzgebung leider immer noch so, daß man nicht einmal ungestraft in der Öffentlichkeit darüber reden könnte, ohne daß man selbst Probleme bekommt. Also bringt dieser Weg sowieso nichts. Ich schreibe das nicht, weil ich das gut finde, sondern weil es einer der Mißstände in der deutschen Gesetzgebung ist. Er würde Dir sowieso warscheinlich wieder nur drohen, und dann mußt Du ziemlich viel Kraft dagegen setzen müssen um ihn zu signalisieren: " An mir kommst Du nicht vorbei!" , die Du vielleicht im Moment noch nicht hast. Warscheinlich wird er Dir sogar noch mit einem Gerichtsverfahren drohen, - nur damit Du wieder still bist.
Schau Dir doch mal von Ellen Bass das Buch " Trotz allem, " an. Dann kannst Du Dir ersteinmal darüber klar werden, welcher Weg für Dich eventuell etwas wäre.
Es gibt da verschiedene Möglichkeiten, über die man sich erst einmal informieren sollte.
Das Problem, wenn Du beginnst darüber zu reden, wird sein, daß Du nach dem Gespräch alleine da durch mußt, sei es daß Du Dich mit einem Psychiater oder mit der Telefonseelsorge unterhälst. So eine Sitzung oder so ein Gespräch geht vorüber, aber Du mußt danach mit der Situation noch umgehen können. Und das was man durch das " Sprechen" aufreißt, kann sehr weh tun.
In der Regel passiert in der Familie überhaupt nichts, wenn man plötzlich darüber redet. Das ist ein Thema, daß den Familien nämlich unangenehm ist und daß die nicht haben wollen. Inzestuöser Mißbrauch wächst auf einem Boden, auf dem auf das Kind nicht sonderlich geachtet wurde. Der Täter muß davon ausgehen, daß dem Kind nicht geglaubt wird, sollte es auf die Idee kommen darüber zu reden. Normalerweise achten Eltern auf ihre Kinder und die spüren Veränderungen und es gibt auch Anzeichen, die man sehen kann, wenn man sie denn sehen möchte. Das "große" unaussprechliche Geheimnis endet in der Regel so, daß man innerhalb der Familie damit genauso schnell fertig ist, wie früher.- Ein Teil wird einen für verrückt erklären. Der andere Teil sucht nach Indizien, das Opfer als Lügner zu identifizieren. Der Rest wendet sich ab. Denn wenn einer da gewesen wäre, von dem Du Dir aus der Familie hättest Hilfe holen können,, dann hättest Du diesen familiären Ansprechpartner nämlich auch damals schon gehabt und Dir auch versucht dort Hilfe zu holen.
Diese Therapien die so angepriesen werden entpuppen sich oftmals als Gang durch die Hölle. Wichtig ist, daß Du Dich zu nichts drängen läßt, sondern nur das machst, was Dir selbst gut tut. Es kann sein, daß Du damit jeglichen Kontakt mit Deiner Familie über jahrzehnte hinweg verlierst. Das mußt Du aushalten können. Es will also gut überlegt sein, mit wem Du darüber redest und in welchem Rahmen Du das machen möchtest. Inzestopfer sind in der Regel nicht sehr selbstbewust, denn selbstbewuste Kinder lernen von klein auf, sich zu wehren. Du solltest Dir also alle Möglichkeiten, die Du hast ansehen,- und dann für Dich entscheiden, mit wem Du am liebsten reden möchtest. Es gibt da große Unterschiede. Vorsicht vor Gesprächen innerhalb der Verwandtschaft, wenn Du Dir nicht sicher bist, daß Dein Geheimnis in der Familie öffentlich sein soll.- Es gibt da auch Leute, die einem mit ihrem Übereifer schaden und du findest Dich rasch in einer Situation, in der Du zu dem Zeitpunkt überhaupt noch nicht sein solltest/ wolltest. Alles liebe C.
AW: sexueller Missbrauch in der Kindheit
Hallo
Ich meine natürlich in ihrem Fall.
Möglich, dass Du Dich nicht krank fühlst, aber was ist da in Dir geschehen?
Und ich denke da benötigt von etwas von Dir Verständnis (ein Aufrichten) für das, was Dir widerfahren ist.
Ich bin fest davon überzeugt, das sexueller Mißbrauch mit seelischem Mord zu vergleichen ist. Irgendetwas in einem erlischt. - Sei es Lebenfreude, Unbeschwertheit oder einfach nur das Lächeln. Und es ist wichtig diesen Punkt zu finden um wieder unbeschwert oder freier leben zu können.
Bis bald
Tanja
AW: sexueller Missbrauch in der Kindheit
Warscheinlich ist es so, daß Du die Begebenheiten einfach " Ausblenden oder Abspalten " konntest. Das ist ein Schutz, den viele Inzestopfer lernen, wenn etwas geschieht, daß ungeheuerlich ist.- Je älter man wird, je schlechter klappt das mit dem Ausblenden. Inzestopfer sind häufig sehr besonnen in Katastrophensituationen, weil die ihre Gefühle vom Körper abspalten können und meist auch dann noch funktionieren, wenn es brenzlig wird. Das macht allerdings noch eine Reihe von anderen Nebenwirkungen, die komplexer sind.-Während einer Therapie verlernst Du sicherlich das Abspalten. Das tut aber ungewohnt weh. Ich wünsche Dir, daß Du einen für Dich richtigen Weg findest ohne erneut verletzt zu werden. . Lg C.
AW: sexueller Missbrauch in der Kindheit
In der Traumatherapie geht es gerade nicht darum, das Trauma durch erzählen wiederraufzuholen, sondern durch verschiedene Therapieformen einen Umgang und eine Selbstaufarbeitung zu erreichen. Es ist sogar strikt verboten in diesen Kliniken, sich mit Mitpatienten über das Trauma auszutauschen!! In seltenen Fällen kann man in Einzelfällen mit einem Therapeuten eine Aufarbeitung machen - ist aber nicht Standard!
Die richtigen Adressen sind psychosomatische Kliniken mit einer Spezialisierung auf Traumatherapie. Es gibt 3 Zentren in Deutschland: eins in Frankfurt, eins in Bad Wildunge und das dritte weiss ich nicht genau, wo es ist. Eine solche Therapie musst du selbst beantragen - dein Hausarzt kann dir dabei helfen. Aber das geht nur, wenn du bereit für eine Therapie bist - und diese Therapie spricht vor allem Menschen an, die durch solche Taten körperliche Symptome davontragen (psychosomatisch).
Deine Anlaufstelle ist dein Hausarzt - die meisten haben eine pyschosomatisczhe Grandausbildung. Und er steht unter Schweigepflicht, er darf also mit niemand über deine berichteten Erlebnisse sprechen!!!